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Fußball bei Hertha — Avanti Dilettanti!

■ Berlins Fußball-Diva vor dem Abstieg/ Chronologie eines kurzen Erstliga-Abenteuers/ Berlin bleibt Fußballprovinz

»Schluß, Aus, Feierabend, Feierabend, Ende!« (TRIO, live 1983)

Berlin (taz) — Genau so ist es. Auf Hertha BSC ist eben Verlaß. Zwar wird es noch ein wenig dauern, bis die Herthaner definitiv als Absteiger feststehen, nur ist schon jetzt klar, daß es mit dem Abenteuer Bundesliga fürs erste vorbei ist. Wenn die Hertha schon nicht den sportlichen Ansprüchen genügen konnte, ihren alten Ruf als Skandalnudel und somit größter Lachnummer des bezahlten Fußballs hat sie wacker verteidigt. Was die Frage geradezu aufzwingt, warum Hertha BSC nicht in der Lage ist, in der höchsten Fußballklasse mitzuhalten; beim Bolzen, da lebt die berüchtigte Berliner Provinzialität weiter. Die Wurzeln dieser so schmerzlichen Realität liegen in der Vergangenheit von Hertha BSC; ein Teil liegt dort begraben und soll nicht dazu dienen, diejenigen mit weniger Spott zu bedenken, die jetzt für den Abstieg sorgen.

Die bösen Buben sind ganz fix ausgemacht. Das Präsidium mit dem greisen Präsidenten Heinz Roloff (76), weiterhin dürfen zwei Manager, drei Trainer und die gesamte Mannschaft schamvoll ihre Häupter senken. Zur Erinnerung (niemandem soll etwas vorgeworfen werden, auf dem Programm steht die Analyse einer verschärften Realsatire wg. organisatorischer und sportlicher Unzulänglichkeit):

Beginnen wir im Friede-Freude- Eierkuchen-Sommer 1990. Die Mauer ist weg, Hertha steigt auf, der beste Zeitpunkt, sich fest in der Bundesliga zu etablieren und »diese Jahrhundertchance zu nutzen«, wie der damalige Manager Horst Wolter frohlockte. Nur wußte niemand so genau, wie. Zwar hatte die Hertha binnen zwei Jahren der Amateurklasse entrinnen und ins Oberhaus klettern können, zwar war der Schuldenberg auf drei Millionen Mark halbiert. Doch Geldverschwendung, Steuerbetrug, Bestechungen und andere Skandale aus früheren Zeiten hatten den Hertha-Ruf ruiniert, so daß die dringend benötigten Großsponsoren nicht bereit waren, zu investieren. »Wir haben permanent in der Berliner Wirtschaft Klinken geputzt — ohne Erfolg«, so Wolter. Nur ein schwäbischer Textilfabrikant fand sich für die Trikotwerbung. So mußte das bislang so erfolgreiche Duo Wolter und Trainer Werner Fuchs bei der Verstärkung der Aufstiegsmannschaft bescheiden bleiben. Und das war »ein wenig blauäugig«, wie beide später zugaben. Der Brite Farrington wurde nach TV- Betrachtung engagiert, und der teure Ex-Nationalspieler Uwe Rahn verletzte sich für ein halbes Jahr ebenso wie meist die Hälfte der Mannschaft. Ob mit oder ohne Leistungsträger wie Greiser, Patzke, Rahn oder Kruse, die Hertha errreichte von Beginn an nicht die Spielstärke der letzten Saison.

Zudem fällt die scheinbare Unfähigkeit ins Auge, junge Nachwuchsspieler zu entdecken — wie Bochum, St.Pauli und Kaiserslautern es erfolgreich vormachen. Und da auch kein Geld für teure Spieler vorhanden war, ging das Präsidium in die übliche Offensive. Noch am 18. 9. 90 schwor es rührselig Trainer Fuchs die Treue, doch nach 13 Spielen mit nur fünf Punkten sagte Roloff: »Er hat sein Versprechen, den Erfolg, nicht gehalten.« Die Folge: Erst mußte der Manager gehen, dann machte sein Nachfolger Roder jeweils kurzen Prozeß. Am 14. 11. flog Fuchs, Nachfolger Pal Csernai hielt sich auch nur 117 Tage, seit einer Woche darf nun Peter Neururer den Trainer mimen. Nebenbei wurde die sturmschwächste Mannschaft der Liga noch dreier Stürmer beraubt. Extrawirbel verursachte der Verkauf von Axel Kruse, der im Training einen Kollegen geschlagen hatte und darauf sofort nach Frankfurt gehen mußte. »Es ist für alle Beteiligten am besten, Gründe werden zur rechten Zeit bekanntgegeben«, so damals Roder. Wir warten bis heute.

Bleibt zu erwähnen, daß die Mannschaft sich auch selber schwächte. So weigerte sie sich, ins Trainingslager zu fliegen. Ersatz- oder gute Trainingsbedingungen in Berlin konnten nicht bereitgestellt werden. Die Folge: Das Team von Hertha BSC ist bis heute körperlich und geistig unter Niveau, auch der neue Trainer konnte nichts bewirken. Die Pfeifen des Hertha-Versagens sitzen also in der Geschäftsstelle und laufen auf dem Platz herum. Da bleibt nur zu sagen: Avanti Dilettanti, ab in die zweite Liga, viel üben, ordentlich Hausaufgaben machen und es im nächsten Jahr noch mal probieren. schmiernik

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