Fußball-Export in Schurkenstaaten: „Alle Annehmlichkeiten“

Die Kritik an der Austragung des spanischen Supercups in Saudi-Arabien wird lauter. Das öffentlich-rechtliche TV will das Spektakel nicht übertragen.

Scheich im Fußballstadion

Geschäftstüchtig: Turki al-Sheikh, Besitzer von UD Almería und saudischer Vergnügungsminister Foto: Peter Arvidson/imago

Vero Boquete sprach aus, was viele dachten, als sie von der Vergabe des spanischen Supercups nach Saudi-Arabien erfuhren. „Die Botschaft ist, dass alles geht. Aber ich finde, dass nicht alles geht. Wir reden von einem Aggressor und Unterdrücker, der die Menschenrechte verletzt. Wir sollten einen Weg finden, diejenigen zu bestrafen, die das tun. Stattdessen tragen wir Sportveranstaltungen dahin.“

Aber Boquete ist halt nur eine bekannte spanische Fußballerin, aktuell unter Vertrag beim US-Klub Utah Royals – und kein Fußballer. Sie ist daher um viele Millionen Euro ärmer, und ja, offenbar macht das einen Unterschied, denn – alte Regel im Profisport – wer viel hat, bekommt den Hals erst recht nicht voll. 120 Millionen über drei Jahre, 40 Millionen Euro pro Ausgabe erhält der spanische Fußballverband RFEF dafür, dass er das neu konzipierte Final-Four-Turnier im saudischen Dschidda austrägt.

Los geht’s im Januar mit FC Barcelona (Meister), Valencia (Pokalsieger), Atlético Madrid (Ligazweiter) und Real Madrid (Dritter), und während aus der Gesellschaft von der Linkspartei Podemos bis zu liberalkonservativen Medien wie El Mundo heftige Kritik kommt, während Spaniens öffentlich-rechtliches Fernsehen RTVE das Spektakel aus Protest nicht übertragen will, reicht die Reflexion bei den beteiligten Vereinen nur bis zur Sternezahl der Hotel­suite. „Wir haben überhaupt kein Problem damit, dort zu spielen“, erklärte Atléticos Präsident Enrique Cerezo. „Ich gehe davon aus, dass dieses Land alle Annehmlichkeiten bietet, damit wir uns dort wohlfühlen.“

Funktionäre und Spieler können beruhigt sein: Man wird schon dafür sorgen, dass sie auf dem Weg zum Stadion keine der öffentlichen Hinrichtungen zu sehen bekommen, die es laut Amnesty International weiterhin gibt, auch wenn das wahhabitische Königreich zumindest oberflächlich einen Reformkurs ausgerufen hat. Mit dem Jemenkrieg müssen sie sich auch nicht herumschlagen, und was die Rechte der unterdrückten Frauen angeht, geriert sich die RFEF sogar als emanzipatorische Kraft. „Frauen und Männer werden vollkommen gleichberechtigt ins Stadion gehen können“, verkündet Verbandspräsident Luis Rubiales. Also nicht wie sonst seit der Öffnung für Frauen in manchen Partien, etwa zuletzt auch das Finale im italienischen Supercup, segregiert in einem eigenen Block? Oder gilt das Versprechen nur für westliche Frauen?

Reinwaschen mit Sport

Eher wohl Letzteres, aber Rubiales sieht sich trotzdem auf der richtigen Seite der Geschichte. „Saudi-Arabien möchte seine ganze Kultur ändern und die Grenzen öffnen. Wir können das blockieren oder daran teilnehmen, und wir haben beschlossen, daran teilzunehmen“, erklärte er. Menschenrechtsexperten benutzen für solche Kooperationen eine andere Umschreibung: Sportwashing. Das Reinwaschen eines Schurkenstaats-Images über den internationalen Sport. Saudi-Arabien macht nach, was Nachbarn wie Katar vormachten. Und Spanien macht begeistert mit. Schon vor zwei Jahren verkaufte die Liga neun Kaderplätze bei Spitzenklubs an die Saudis, die ihre Nationalspieler so auf die WM 2018 einstimmen wollten. Sie spielten zwar letztlich kaum, aber gezahlt wurde trotzdem.

Eingefädelt hat den Deal damals Turki al-Sheikh, ein enger Gefolgsmann von Kronprinz Mohammed bin Salman und inzwischen Vergnügungsminister im Königreich. Seit dem Sommer besitzt er in Spanien den Zweitligisten UD Almería und lässt es dort ziemlich krachen. Klubangestellten soll er Umschläge mit je 5.000 Euro zugesteckt haben, wenn sie ihn dafür als „Majestät“ ansprächen.

Bei Heimspielen lässt er Sportwagen unter den Zuschauern verlosen und trotz sportlichem Erfolg hat er in vier Monaten bereits zwei Trainer gefeuert. Neuester Übungsleiter ist der schillernde Ex-Real-Profi Guti, und der wird mit allen Fans interessiert verfolgen, ob es in Almería anders läuft als in Ägypten, wo Turki al-Sheikh 2018 den Klub Alassiouty kaufte, ihn unter den Namen Pyramids FC nach Kairo verlegte und fünf Trainer verschliss, ehe er nach wenigen Monaten wieder abzog.

Barça und Real sollen als Antrittsgage je 7 Millionen Euro kassieren, Valencia nur 2,5 Millionen und Atlético irgendetwas dazwischen. Begründet wird der Verteilungsschlüssel mit dem unterschiedlichen Abschneiden in der Historie des Supercups. Die Fußnote zu diesem Geschäft ist nicht weniger suspekt als seine Substanz.

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