: Furien der Gerechtigkeit
Bitte nicht an die Effekte fassen! Batfamilie grandios bereichert um George „Notaufnahme“ Clooney und ein Batgirl, elegant gekontert von Schwarzenegger und Thurman als Grundübel ■ Von Gerrit Bartels
Nun fliegt er also wieder: Batman alias Bruce Wayne. Der einsame, getriebene, dunkle Ritter, der in der Nacht im Fledermauskostüm auf Verbrecherjagd geht und sich dabei zu einem der größten Popstars mauserte, den das Kino der Neunziger für sich entdeckt hat.
Nur zwei Jahre nach „Batman Forever“ schickt Hollywood mit „Batman & Robin“ den vierten „Batman“ ins Rennen um den erfolgreichsten Film aller Zeiten. Klar, daß da nicht gekleckert wird: Hatte der erste „Batman“-Film 1989 noch 35 Millionen Dollar gekostet, sollen es dieses Mal stolze 160 Millionen gewesen sein, die Regisseur Joel Schumacher zur Verfügung standen.
Nach Michael Keaton, der Batman noch als tragische Figur mit allzumenschlichen Zügen interpretieren durfte, und Val Kilmer, der vor allem Schönheit und Oberfläche war, ist nun der mit der TV- Serie „Emergency Room“ berühmt gewordene George Clooney der Schutzpatron von Gotham City. Schumacher wollte mit Clooney Batman „wieder ein mehr menschliches Antlitz“ geben, und Clooney schaut in der Tat so aus, als ob er schon einiges in seinem Leben gesehen hat und direkt von der Notaufnahme in die Batcave gesprungen ist: markant, zerfurcht, bitter und maskulin.
Kämpft aber Batman mittlerweile in seinem richtigen (Comic-)Leben mit Dracula, Jack The Ripper und seinem eigenen Abziehbild, surft er da auch mal durchs Internet und läßt in den Weiten des unendlichen virtuellen Raumes seine Flügel flattern, wirkt er in „Batman & Robin“ doch eher eindimensional, ein Typ, der seinen Job erledigt und bestens im Bilde ist: Sein Kampf geht ewig weiter, und sei es nur darum, daß die Filmproduzenten sich mit ihm auch weiterhin die Taschen voller Geld stopfen können.
Kein posthumanes Wesen und auch kein Mensch mit vielerlei Identitäten: Nicht einmal mehr die Geschichte von der Ermordung von Bruce Waynes Eltern wollten Schumacher und sein Autorenteam erzählen. Statt dessen haben sie Batmans Ersatzfamilie mit dem Batgirl (Alicia Silverstone) vergrößert und der Figur des Robin (Chris O'Donnel) mehr Raum zur Entfaltung gegeben.
Diesen hatte Batman schon in den Comics der Vierziger unter seine Fittiche genommen: ein Waisenjunge, der wie Batman die Ermordung seiner Eltern mitansehen mußte. Robin wurde das „Boy Wonder“ an Batmans Seite, hatte jedoch immer Akzeptanzprobleme bei den Fans: Er wechselte mehrmals Namen und Identität und starb einmal gar nach einer telefonischen Leserbefragung, bei der sich eine knappe Mehrheit für seinen Tod entschied. Mittlerweile heißt Robin in den Comics Tim Drake und ist, wie soll es anders sein, ein Computerfreak und Medienfachmann, der auch bei den Fans wieder ein paar Steine im Brett hat.
Im Film jedoch ist Robin der Nightwing von früher: ein ungestümer Draufgänger, der vergeblich um das Vertrauen von Batman buhlt. Ein Profilneurotiker ohne Profil, ein leibhaftiger All-american-Boy, der gern den Frauen nachstellt und so nicht einmal mehr als schwule Ikone mißverstanden werden kann, wie es in den sechziger Jahren schon der Fall war.
Bei soviel Grauschleier und Normalität – auch Alicia Silverstone schafft es im Batkostüm und mit Batbike nicht so ganz, eine Furie der Gerechtigkeit und des Irrsinns zu werden – muß man sich schon an die sogenannten „Bösewichter“ halten, die mit Arnold Schwarzenegger und Uma Thurman als Mr. Freeze und Poison Ivy klasse besetzt sind.
Mr. Freeze ist ein unglücklicher Wissenschaftler, der nur noch in einem Spezialanzug als lebender Kühlschrank existieren kann. Er benötigt die Schätze Gotham Citys, um sich selbst und seine an einer tödlichen Krankheit leidenden und deswegen von ihm eingefrorenen Frau zu retten. Eine Paraderolle für Arnold Schwarzenegger, der endlich einmal wieder schwerfällig durch einen Film staksen kann und mit seinen vielen Sprüchen („Hier kommt der Eismann“, „Euch lege ich auf Eis“, „Immer schön cool bleiben“) immer noch ein schicksalsgeplagter Mann mit einem hehren Ziel vor Augen ist. Und auch Poison Ivy (alias „Mother Earth“) will so richtig niemandem einen Schrecken einjagen. Sie ist ebenfalls eine durch Laborunfall mutierte Wissenschaftlerin, die für die Pflanzen ein Recht auf Selbstbestimmung gegenüber ihren größten Feinden, den Menschen, einklagt und die Welt zu einem Naturparadies mit ihr als oberster Eva machen will. Archaik, Natur und Sex heißen bei ihr die Gebote der Stunde, und für diese kommt Poison Ivy wie eine Kreuzung aus Hippiemädchen und Rrriot Girl um die Ecke. Schön, machtbewußt und verschlagen ist sie, und ihre einzigen Waffen sind betörend-gefährliche Düfte und Lippen voller Gift – eine Sympathieträgerin, in die sich neben Robin auch Batman für einige Augenblicke verliebt.
Und so ist die Welt auch in diesem vierten Batman-Film von der Figurenkonstellation her eine gar nicht so einfache: hier die eigentlich guten und leidenschaftlich kämpfenden Bösewichter; dort die verdächtig glatt und leidenschaftslos wirkenden Gutmenschen; hier die tatsächlich gebrochenen Persönlichkeiten mit ihren Motiven und ihren Trieben, dort die nur vermeintlich auf der richtigen Seite stehenden Technokraten, die aus ihrer Bio ein Höchstmaß an Spaß gewinnen.
Schumacher setzt auf große Effekte, Szene für Szene führt groß herauf. Ausgiebig präsentiert er zehn Meter hohe Wolkenkratzermodelle, die mit Hilfe von Computerbildern bis ins Unendliche verlängert wurden und in deren Schluchten die Helden sich unzählige Male genauso wie ihre Zuschauer verirren; neue – und tatsächlich sehr geile – Kostüme; Bat- Lazer, Eiskanonen, Bat-Eissägen, Bat-Tazer-Schußvorrichtungen, Bat-Bombs, Bat-Skiff, Bathammer, Batbike und dergleichen. Das will gezeigt werden, schließlich ging es Schuhmacher wie schon in „Batman Forever“ nicht „um Medea, sondern um ein riesiges Spektakel der Popkultur“. Und das ist es auch geworden: „Batman & Robin“ ist ein Augen- und Ohrenschmaus für MTV-Clip-geschulte Menschen, die genau wie Batman in einem seiner hellsichtigen Momente wissen: Das Chaos, das die Welt regiert, kann niemand meistern, also stürzen wir uns voller Lust hinein.
Wenigstens ist Gotham City am Ende einmal mehr gerettet worden. Poison Ivy ist sicher im Arkham Asylum verwahrt, und Mr. Freeze hat vor seinem Ableben sogar noch Batmans Butler vor einem krankheitsbedingten Tod gerettet. Und genauso erschöpft, wie der Zuschauer nach diesem zweistündigen Powerplay in seinem Sessel liegt, stehen sie dann da und reichen sich pathetisch und rührselig die Hände zum Bund fürs Leben; Batman, Robin, Batgirl und der Butler.
Die Show geht weiter, und Madonna, Courtney Love und Steve Buscemi scharren schon ungeduldig mit den Füßen, um dem alternden Batman demnächst wieder etwas mehr Glanz in seine Hütte zu tragen.
„Batman & Robin“, Regie: Joel Schumacher. Mit: George Clooney, Alicia Silverstone, Arnold Schwarzenegger, Uma Thurman, Chris O'Donnell u.a. USA, 1997, 104 Min.
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