Funkstille im Hause Engin: Ehekrach in Zeiten von Corona
Meine Frau und ich kommunizieren nur noch über kleine Zettel miteinander. Aber selbst wenn man sich lautlos streitet, kann es leicht eskalieren.
E s herrscht völlige Funkstille bei uns zu Hause! Also, zwischen mir und Eminanim herrscht tatsächlich absolutes Schweigen. Wir reden seit zwei Tagen kein einziges Wort mehr miteinander. Genau genommen: seitdem Frau Merkel im Fernsehen gesagt hat, dass man sich mit dem Coronavirus am meisten zu Hause ansteckt und wir deshalb nicht so viel miteinander quatschen sollen. Daraufhin haben wir selbstverständlich sofort das Reden eingestellt.
Jetzt liegen oder kleben überall in der Wohnung kleine Papierfetzen mit mehr oder weniger wichtigen Botschaften drauf.
Einen habe ich eben auf dem Klodeckel entdeckt: „Nicht im Stehen!“
Und mehrere zusätzliche Zettel drum rum, mit der immer gleichen Frage: „Hast du den Zettel auf dem Klodeckel gelesen?“
ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).
Darunter drei kleine Kästchen, damit ich meine Antwort ankreuzen kann: „Ja“, „Nein“, „Keine Ahnung“.
Aber ich lasse mir – Corona hin, Corona her – durch Eminanims vorgefertigte Antworten nicht meine Meinungsfreiheit einschränken und schreibe selbstbewusste und unbeugsame eigene Antworten drauf. Zum Beispiel: „Warum denn??“, oder: „Ich sehe das nicht so“, oder: „Nicht, dass ich lache!!“
Ich werde wohl zu verhindern wissen, dass meine Frau unter dem Deckmantel der Coronapandemie ihre Diktatur noch weiter ausbaut, wie in mehreren Ländern bereits geschehen.
Mittlerweile diskutieren wir mittels Papier-Konfetti auch über philosophische Grundsatz-Themen wie: „Wann ist man ein Mann?“, oder: „Das Grundrecht auf Faulheit“.
Plötzlich finde ich einen Zettel mit der beleidigenden Botschaft: „Dein Urin stinkt!“ – dahinter ein dickes Ausrufezeichen! Typisch Eminanim, die zweitgrößte Nervensäge des Mittleren Orients!
Wenn sie meinen brillant formulierten Argumenten nichts mehr entgegenzusetzen hat, wird sie wie eh und je sofort auf der persönlichen Ebene beleidigend!
„Soll ich etwa Rosenwasser trinken, damit mein Urin lieblich duftet?“, schreibe ich ironisch. Die Antwort finde ich kurze Zeit später im Kühlschrank: „Warum nicht gleich Zyankali?“ Ob sie das Gift auch vorsorglich gleich daneben bereitgestellt hat, weiß ich nicht.
Es ist erstaunlich! Auch wenn man sich lautlos streitet, kann es ganz leicht eskalieren.
Na ja, um es kurz zu machen: Am Ende des 2.367 Papierschnipsel dauernden Wortgefetzes, behauptet Eminanim völlig dreist, dass sie niemals „Dein Urin stinkt“ geschrieben habe, sondern: „Dein Ur-Instinkt“. Und hätte damit die Ursache meiner männlichen, angeborenen Faulheit und Rechthaberei in Zeiten von Corona zu benennen versucht.
Ob das alles im Sinne der Kanzlerin ist?!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz