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Fundevogel muß weg

■ Eine Taube kann sich ein Berliner nicht leisten

Unser emotionales Verhältnis ist gestört. Fundevogel hat alle Vertraulichkeit verloren und ist widerborstig. Er hat recht. Nur mit Widerwillen erhält er sein Futter, seitdem klar ist, daß der aus dem Nest gestürzte Fundevogel keine Nebelkrähe sondern eine Taube ist. Nach Aufdeckung seiner wahren Natur hat Fundevogel sofort eine erneute Desinfektionsdusche erhalten. Eine Taube kann man als eingeborener Berliner nur hassen.

Mit einer Taube im Haus droht die soziale Isolation. Die „Ratten der Lüfte“ seien nicht nur eklige Krankheitsübertrager, sondern laufen auch immer vors Fahrrad, erregt sich Gerichtsreporterin plu, ebenfalls Berlinerin, als sei ich ein Landesverräter. Abscheulich, abscheulich würgt Brigitte Fehrle hervor: ich könnte sie alle eigenhändig vergiften. Und selbst der ruhrgebietsgeschädigte Lokalredakteur Thomas Rogalla sagt nur „ääh“ auf die Frage nach seinem Verhältnis zu Tauben. Angesichts der Tausenden von Taubenzüchtern im Ruhrpott sind Tauben für ihn das Symbol „kleinbürgerlichen Vereinsmuffs“.

Allein Redakteurin Elisa Klapheck lobt die „ästhetischen“ Vögel, mit der „schönen grauen Farbe, deren Gestalt einen gewissen Schwung“ habe. (Und somit hätte sich dann fast die ganze Berlin-Redaktion als Rassisten bewiesen... zudem fällt mir da noch ein: Ist die Taube nicht ein Friedenssymbol? d.k.)

Bevor also jegliche soziale Akzeptanz im sozialen Umfeld durch den weiteren Besitz eines solchen Dummvogels flöten geht, muß Fundevogel weg. Die Übergabe an den fetten gelben Kater wird aus Gewissensgründen verworfen. Am Wochenende nach Wessiland fahren und den Vogel auf der Transitstrecke verlieren? Zu umständlich. Am besten ist eine Annonce:

Junge Taube abzugeben, Angebote unter 4609-246

gn

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