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■ ÖkolumneFürst der Finsternis Von Hermann-J. Tenhagen

Fürst Dietmar tobt. Denn der Herr über Deutschlands Braunkohlegruben, riesige Wolkenmacher und Tausende Müllkutscher weiß nicht, ob er die zwanzig Milliarden Taler aus Abgaben seiner Untertanen tatsächlich für neue Wolkenmacher ausgeben soll. Der Hofnarr hat gewitzelt, auch die Untertanen des Fürsten der Finsternis wollten die Wolken des Fürsten der Finsternis nicht mehr sehen. Und die Sternbilder, sagt sein Astrologe, ändern sich mit für Fürsten verwirrender Geschwindigkeit.

In seiner Trutzburg am Essener Hauptbahnhof läuft RWE-Fürst Dietmar Kuhnt deswegen wie sein Hofhund im Kreis und sinniert. Die Frage ist ungelöst, wie er die unbotmäßigen rot-grünen Lehnsherren in Düsseldorf zur Räson bringt. Ihm, dem Fürsten der Finsternis, und seinen Vorfahren haben die Herren von Düsseldorf seit Generationen Gefolgschaft versprochen. Und nun dieses.

Sein Plan, in Garzweiler am Niederrhein ein neues Braunkohleloch zu buddeln, stamme aus einer dunklen Zeit, sagen sie jetzt am Rhein. Tausende Menschen aus den Dörfern um Immerath wegen seiner Pläne in eine neue Kolonie umzusiedeln, werde ein Strafgericht provozieren.

Dietmar Kuhnt dreht weiter seine Kreise und erinnert sich. Gemeinsam hatten er und seine Raubritterrunde in den vergangenen zehn Jahren das RWE- Reich kräftig erweitert. Mal einschmeichelnd, mal durch geschickte Heiratspolitik, mal waren ihm die Provinzen regelrecht zugelaufen. Notfalls hatten sie das Reich aber auch mit brachialer Gewalt vergrößert. Lokale Fürsten stellte man mit einem Platz am Hofe ruhig, renitente Bauern und Städter wurden mit Zuckerbrot und Peitsche gefügig gemacht.

Vorbei. Er hatte den frommen Herren von Düsseldorf ja vor diesen Experimenten mit der Demokratie gewarnt. Diese Rheinländer sind notorisch unzuverlässig.

Das mußte Kuhnt schon als jugendlicher Prinz und Anführer der Strafexpedition nach Kalkar erkennen. Ohne Widerstand wurde ihm dort das Tor geöffnet, nur um ihm hernach perfiderweise die Versorgung abzuschneiden. Mit Mühe hatte er sich befreit, die Verluste begrenzt und den Kopf behalten.

Banditen in grünen Mänteln waren es damals gewesen, die immer neue Löcher gruben, in denen sein Karren steckenblieb. Im hessischen Süden des Reiches hatte in den folgenden Jahren ein Ritter mit grüner Kappe seinen Wolkenmachern immer wieder den strahlenden Nachschub abgeschnitten. Erst vor zwei Jahren hatten ebenso grün Gewandete in der Kaiserstadt Aachen angefangen, sein Strommonopol in Frage zu stellen.

Und nun soll der fromme Düsseldorfer einen der Grünberockten sogar zum Hausmeier ernannt haben. Statt des kirchenüblichen Zehnten wollten die Düsseldorfer künftig Bagger als Tribut konfiszieren. Diese Grünverkappten haben offensichtlich nichts Besseres zu tun, als ihm an jeder Ecke seines Reiches das Leben schwer zu machen, denkt Fürst Dietmar und seufzt laut auf.

Und auf den alternden Johannes, den Frommen, ist kein Verlaß. Er ist zu milde, versöhnlerisch und kann den neuen Hausmeier nicht im Zaum halten. Der bärtige Chef der Leibgarde würde den Hausmeier zwar gern ins Verließ werfen, doch der hat auch die Garde schon infiltriert.

Die Grünbekappten haben den Krieg gewollt, beschließt der Burgherr aus Essen, sie werden ihn kriegen.

Der Fürst der Finsternis reitet persönlich nach Bonn, um dort vor den versammelten Bänkelsängern des Reiches den Düsseldorfern den Fehdehandschuh hinzuwerfen. „Mit diesen Widersprüchen können wir nicht leben. Wir kämpfen um das Loch.“

Mit den Raubrittern seiner Runde braust Fürst Kuhnt nach Immerath, es den renitenten Untertanen und Grünbekappten zu zeigen. Unter den Klostertürmen des Städtchens hält er Standgericht. Doch dann fallen ihm vom den immer schiefer werdenden Türmen die ersten Ziegel auf den Kopf. Die Türme, das Wasser, rufen die Leute, dann Gottesgericht, und sie treiben das Ritterpack aus der Stadt.

Schweißgebadet wacht Dietmar Kuhnt auf. Die Putzfrau poltert mit der Bohnermaschine durch den Flur vor dem Büro. Heute abend muß er die neuen Bagger bestellen.

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