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Für papierne Versprechungen abgeholzt

■ Öko-Wildnis „Uni-Ost“ ist verschwunden / Janssen: Fücks opfert alles für die Hemelinger Marsch

Gab es eine Protesterklärung der Grünen Partei zu der Abholz-Aktion neben dem Berufsförderungswerk, dem Gelände „Uni-Ost“? Wenigstens eine papierne? Nichts dergleichen, kein Wort. Gut eine Woche hat das die Säge gewütet und die Bagger haben alles planiert, was die Natur in 30 Jahren hat wuchern lassen. Nur einer nennt es „brutale Naturzerstörzung“ und läßt sich durch nichts beirren: Gerold Janssen. Über die Grünen als Partei spricht er überhaupt nicht mehr. „Fücks hat ein Doppelspiel gespielt“, erklärt er, „er hat so getan, als ob er das Kompromißkonzept vertreten würde.“

Ende der 60er Jahre hatten die Bauern das Land, von dem nun 7 Hektar mehr unter den Bagger gekommen sind, für die Bremer Universitätspläne verkauft. Seitdem wuchert dort alles, was der Boden hergibt. „Da ist eine phantastische Landschaft entstanden“, kann Janssen schwärmen. Und: „Niemand hat sich mit Engagement für diese Sache eingesetzt.“

Als klar war, daß hier nicht die Uni ausgedehnt werden soll, wurde das Gelände als Erweiterungsfläche für den Technologiepark rund um die Uni herum freigehalten. So groß ist aber der Andrang der High-Tech-Firmen nicht, also versprach man die Fläche dem Siemens-Konzern, der bisher an vielen Stellen verstreut die verzweigten Geschäfte seines Konzerns verwaltet und durch eine Konzentration Arbeitskräfte einsparen könnte.

Mit all dem war Gerold Janssen bereit, sich abzufinden – auch, daß Siemens neben der Fläche auch Wirtschaftsförderung bekommen soll, ohne einen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz zu versprechen. Janssen akzeptierte die Haltung des grünen Umweltsenators, der erklärte, er habe die Zusage an Siemens vorgefunden und nicht revidieren können.

Aber der vordere Teil der Fläche besteht aus aufgeschüttetem Sand, ökologisch wenig wertvoll – dort hätte Siemens seine Baupläne konzentrieren können, wurde Janssen nicht müde zu erklären, im hinteren Teil hätte ein Rest der ökoligischen Uni-Wildnis gerettet werden können. Wenn man High-Tech-Firmen im Technologiepark ansiedeln würde und nicht Siemens-Verwaltung, dann benötigte man, nebenbei bemerkt, auch nicht so viel Fläche für Parkplätze...

Janssen hat seinen Kompromißvorschlag aufgemalt und an die Siemens-Zentrale in München geschickt, dort aber erfahren: „Ihr Senator steht gar nicht dahinter...“

Für Janssen hat der Vorgang einen größeren Zusammenhang: „Fücks hat sich für die Hemelinger Marsch so engagiert, daß alles andere in die zweite Linie zurücktrat. Aber die Marsch ist auf die Dauer nicht zu verteidigen – auch aus ökologischen Gründen.“ Seitdem im Zusammenhang mit dem Autobahnbau die Hemelinger Marsch vom Wasser abgekoppelt wurde, ist dort kein Feuchtgebiet mehr, sondern „öde Landwirtschaft“. Aber wenn irgendwann die Bagger in die Hemelimger Marsch kommen, sagt Janssen, ist es für „Uni-Ost“ zu spät. In den nächsten Wochen wird hier Sand aufgeschüttet. Ob Siemens wirklich bauen wird oder sich angesichts der Konzern-Probleme anders entscheidet, wird man später sehen.

Auch die „Ersatzmaßnahmen“ für die Naturzerstörung in Uni-Ost können dem unbeugsamen Ökologen nicht seine Wut nehmen. An der Autobahn entlang soll Erdwall entstehen – Janssen: „Sie müssen ja das Erdreich aus Uni-Ost ohne hohe Transportkosten loswerden“. Buschwerk soll darauf entstehen – Janssen: „Ein Lärmschutzwall für glückliche Kühe.“

Und, auch als Ausgleich für andere Flächen des Technologieparks, sollte es 85 Hektar „Rastpolder“ für Vögel geben, die auf ihrem Flug traditionell hier in der Gegend brüten. In der letzten Verwaltungs-Stellungnahm vom 20. Januar 1985 steht die Zahl 85 Hektar nicht mehr drin, stattdesssen ist dort von „Abstimmungsgesprächen“ die Rede und davon, daß „besondere Härten für die Landwirtschaft vermieden“ werden sollen. Hintergrund: Aus den 85 Hektar sind unter der Hand in der Planzahlen der Umweltschutzbehörde 30 Hektar geworden. Und selbst für die ist unklar, wo sie entstehen sollen. Janssen: „Ich habe gefragt: Wo ist denn dieses Feuchtgrünland? Diese Versprechungen sind so lächerlich. Das steht bisher alles nur auf dem Papier.“ K.W.

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