: Für eine gerechte Sache gekämpft
■ Teppich-Kibek am Zoo wurde nach dem Baggerschaden im August gestern wiedereröffnet: Ein fröhliches Stelldichein für Presse, Pelzträgerinnen und potentielle Teppich-Kunden
Gestern morgen, Punkt 9 Uhr an der Joachimstaler Ecke Kantstraße. Vorbei am frisch zur Seite geräumten Bauzaun strömen die ersten KundInnen auf die hinter der Eingangstür lauernden Fernsehkameras zu, ins flauschige Paradies der Sonderangebote. Seit einem übereifrigen Baggereinsatz auf der „Zoofenster“-Baustelle Mitte August stand die Statik des Teppichhauses Kibek auf wackligen Füßen. Gestern konnte Kibek nun die Wiedereröffnung annoncieren. Ob Morgenpost oder B.Z., Tagesspiegel oder taz, alle waren mit den großflächigen, schwarz-roten Anzeigen von Teppich-Kibek gleichgeschaltet.
„Als Dank möchten wir uns jetzt mit außergewöhnlich günstigen Preisen erkenntlich zeigen“, schmeichelte man den treuen Kunden. Handgeknüpfte Feinwaren aus aller Drittwelt warten zu geradezu paradiesisch niedrigen Preisen auf die vorwiegend älteren Damen, die sich passend zum Teppichkauf in kuschelige Pelze gehüllt haben: Ein pakistanischer Lahove ist von 15.200 auf schlappe 8.450 Mark heruntergesetzt. Anderthalb Quadratmeter Ghoum werden für lächerliche 3.900 Mark verschleudert. Unter dem Klicken der Pressefotografen leuchten die Augen der betuchten Teppichfans mit dem sympathischen Lächeln der geschmeidigen Verkäufer um die Wette.
„Bagger rammte Teppich-Kibek kaputt“, titelte Mitte August eines der schlagzeilengebenden Boulevardblätter, nachdem bei Abrißarbeiten der umliegenden Gebäude auch die Statik des Teppichhauses angeknabbert wurde. Die Dortmunder Brau und Brunnen AG, Eigentümerin des Areals, will dort ihr 80 Meter hohes „Zoofenster“ hochziehen. Nur das zweigeschossige Teppichhaus steht dem Bauvorhaben nach wie vor im Weg. Noch ist offen, ob der Bagger-Fehlgriff ein Unfall oder ein gezielter Sabotageakt war.
Nach einer „Schlacht der Statiker und Rechtsanwälte“ verpflichtete das Landgericht aber schon Anfang Dezember die Bierbrauer, dem Teppichunternehmen die vertragsgemäße Nutzung der Räume zu ermöglichen. Kibek wird nun auf Erfüllung des bis zum Jahr 2000 geltenden Mietvertrags pochen. Es sei denn, es findet sich ein alternativer, zukunftsorientierter Verkaufsort. Dann will Kibek-Geschäftsführer Hans Matthiesen über eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrags reden.
Matthiesen bedauert zwar die um dreihundert Quadratmeter eingeschränkte Verkaufsfläche und das entgangene Weihnachtsgeschäft, blickt aber hoffnungsvoll in die Zukunft. Schon in der Anzeige hatte er sich bei den Berliner und Berlinerinnen bedankt: „Ihre überwältigende Unterstützung hat uns bestätigt, daß es sich lohnt, für eine gerechte Sache zu kämpfen.“ Und es lohnt sich, der Laden ist voll, an den Kassen bilden sich erste Schlangen. Während Matthiesen sich noch vor dem 100,6-Mikro einig mit den Berlinern weiß, „die auf die Wiedereröffnung gewartet haben“, produzieren die KollegInnen vom IA-Fernsehen die echten ersten Kundinnen. Die hatten den frischgeöffneten Laden zwar erst wenige Minuten nach 9 Uhr betreten, waren aber immerhin die ersten, die mit ihrem Schnäppchen vor der Tür auf den Gatten warteten. Zeit genug, um den Einkaufswagen mit dem neuen Flausch noch mal kameragerecht aus der Tür zu schieben. Gereon Asmuth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen