: Für den persönlichen Gott in Dir
■ Gospel-Röhre Inga Rumpf stellte im ausverkauften Bremer Dom ihr Expo 2000-Programm „Walking in the Night“ vor
Der Bremer Dom wurde schon wieder für ein Konzert miss-braucht! Dabei ist spätestens seit den beiden Auftritten von Jan Garbarek und dem Hilliard Ensemble wohlbekannt, dass sich diese Kirche mit ihren dicken Steinsäulen und hallenden Gewölben eigentlich nicht für musikalische Auftritte eignet. Mehr als die Hälfte der zahlenden Gäste kann die Bühne gar nicht sehen, und die meisten hören auch nicht viel besser. Dabei gibt es mit der Kirche „Unser Lieben Frauen“ gleich nebenan eine Alternative mit sehr guter Akustik und Sicht auf fast allen Plätzen, aber da passen halt viel weniger BesucherInnen hinein. Und beim Auftritt von Inga Rumpf am Samstag Abend war der große Dom ausverkauft!
Es scheint ein immenses Bedürfnis nach religiöser Erbauungsmusik zu bestehen. Anders lässt sich der Publikumsandrang zu Inga Rumpfs Gospel-Progamm „Walking in the Light“ (das sie für die Hannoveraner Expo konzipiert hat und dort gleich fünfzehn Mal präsentieren wird) nicht erklären. So viele alte Fans der Sängerin von „Frumpy“ oder „Atlantis“ wird es wohl kaum geben. Das Publikum wollte offensichtlich von afroamerikanischen Kirchenliedern balsamiert werden, und genau das bot ihnen Frau Rumpf.
Sie galt in den 80er Jahren als die „Rock-Röhre“ Deutschlands. Ein zwar unschönes, aber treffendes Wort, bringt es doch ihre Stärken und Schwächen genau auf den Punkt. Rumpf hat eine sehr kräftige, ausdrucksstarke Altstimme, mit der sie immer so eindringlich, laut und energisch singt, wie es ihre Stimmbänder nur hergeben. Das ist eine Zeit lang sehr beeindruckend, aber auf Dauer ermüdend. Rumpf hat eine ähnliche Stimmfärbung und Phrasierung wie Annie Lennox, aber während diese auch die leisen Töne beherrscht und ihre Songs oft dramaturgisch geschickt zu den stimmlichen Ausbrüchen hin aufbaut, haut jene immer nur in die gleiche Kerbe.
Darunter krankte nun auch ihn Gospel-Programm. Im Grunde hätte man nach dem ersten Lied schon nach Hause gehen können, enthielt es doch schon alles, was dieses Projekt musikalisch zu bieten hatte. Inga Rumpf hat die Vorbilder genau studiert, und so gelang ihr eine kompetent angefertigte Kopie von Gospel- und religiös angehauchter Soulmusik. Aber schon ihr erstes „Oh Lord“ war so ekstatisch geschrien, dass danach keinerlei Entwicklung oder Steigerung mehr möglich war. Und so klang dann ein Lied wie das andere: für sich mitreißend gesungen und musikalisch von zwei Perkussionisten, einem Pianisten, einem Keyboarder und vier Bankground-Sängerinnen solide interpretiert. Aber egal ob ein Reggae, eine selbstkomponierte (und natürlich englische) Vertonung der „Seligpreisung aus der Bergpredigt“, Bob Dylans „Knocking on Heaven's Door“ oder „Go, Tell it on the Mountains“ – alles klang und wirkte im Grunde gleich.
Dazu gab es noch eine schicke Laserlightshow (die sich allerdings recht armselig im großen Gemäuer verlor) und die salbungsvollen Ansagen von Frau Rumpf, die theologisch wohl eher auf wackligen Füssen standen („Jeder von euch hat ja seinen persönlichen Gott“), aber das Publikum noch zusätzlich enthusiasmierten. Wilfried Hippen
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