MIT DER BAUERNLOBBY AUF DU UND DU: Für alles gibt's Steuergeld
■ Egal, was die Bauern tun, Bonn zahlt Subventionen
Berlin (taz) — Wie kein anderer Spitzenfunktionär hat es Constantin Freiherr Heereman von Zuydtwyck geschafft, mit seinem straff organisierten Bauernverband mehrere Landwirtschafts-, Wirtschafts- und Finanzminister zu Helfershelfern bäuerlicher Rollkommandos zu machen. Das Ergebnis der einzigartigen Lobbyarbeit: In weiten Bereichen des Agrarmarkts herrscht Planwirtschaft; ein wahres Netz aus Lohn- und Preisgarantien, Schutzzöllen und Sozialleistungen behütet die Agrarier.
Inzwischen sind die Subventionen höher als die Erlöse aller Bauern zusammen. Daran ist sicherlich nicht zuletzt die von Absurditäten vollgestopfte EG-Agrarpolitik schuld. Doch wann immer es um die Bauernschaft geht, holen die Ernährungsminister ein klassisches Subventionsprogramm aus den Schubladen. Wo früher Transferzahlungen über Mengen und Preise flossen, werden heute Zuschüsse für umweltschonende Erzeugung, Flächenstillegungen und Nichtproduktion gezahlt. Egal, was die Bauern machen — fast alles, was im Trend liegt, wird mit Barem vergolten. Jahr für Jahr dürfen die Landwirte allein über 2,6 Millionen als Ausgleich für längst in Vergessenheit geratene D- Mark-Abwertungen einkassieren.
Doch damit nicht genug: Seit die EG-Kommission die Weiterzahlung der horrenden Agrarsubventionen untersagt hat, sinniert die Regierung nach einem Interessenausgleich für die Bauernschaft. Ernährungsminister Ignaz Kiechle (CSU) hatte im Sommer versprochen, für direkte Transferleistungen zu sorgen. Selbst Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) biß auf Granit: Er mußte hinnehmen, daß der sogenannte „sozio- strukturelle Einkommensausgleich“, eine flächenbezogene Direktzuwendung an die Bauernlobby, im Haushalt 1992 um 1,43 Milliarden Mark angehoben wurden. Die bisherige Förderung über die Mehrwertsteuer, die den Bauern jährlich 1,7 Milliarden Mark gebracht hatte, war ausgelaufen. Weiter 390 Millionen gingen als Anpassungshilfe an die ostdeutschen Landwirte; 125 Millionen fließen in die Bauern-Unfallversicherung.
Die Minister, allesamt leidenschaftliche Marktwirtschaftler, kuschen jedesmal, wenn die Landwirte ihre Traktoren Richtung Bonn in Bewegung setzen und dem dort ansässigen Regierungsestablishment mit einem Kartoffelhagel drohen. Oft genügt schon ein Haufen Mist, vor der Haustüre eines Bundestagsabgeordneten aus dem ländlichen Raum abgekippt, um die Reihen der grünschwarzen Front wieder fest zu schließen. Die Landvolkspartei CDU/CSU braucht die Bauern, sonst bröckeln ihre Hochburgen im ländlichen Raum. So wird, um die CDU-Mehrheit in Baden-Württemberg zu erhalten, extra ein Programm namens „Meka“ aufgelegt, das der kränkelnden Landwirtschaft zusätzliche Millionensubventionen bescheren soll.
Doch sind längst nicht mehr alle Bauern mit der Arbeit des Lobbyführers Heereman zufrieden. Obwohl er stets reichlich Finanzmittel für sein Klientel absahnte, haben davon fast ausschließlich die Großagrarier profitiert. Die Kleinbauern stehen vor dem Ruin; der EG- Agrarmarkt vor dem Zusammenbruch. Ob der Oberbauer das politisch überlebt? Erwin Single
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