: Für Rot-Grün – mit Bauchweh
■ Eine nicht-repräsentative Umfrage unter Bremer SPD-GenossInnen: Rot-Grün als Liebesheirat, Rot-Schwarz als Vernunftehe.
„Rot-Schwarz?“ Die SPD-Abgeordnete Elke Steinhöfel seufzt schwer. „Nein, ich kann mir das gar nicht vorstellen. Bei der CDU gibt es zwar vernünftige Leute, wie zum Beispiel im Sozialbereich Frau Erlenwein, aber ich sehe nicht, daß Frau Erlenwein das Sagen haben wird.“ Und auch der Vorsitzende des Ortsvereins St. Magnus, Heinz-Konrad Reith, wird förmlich blaß, wenn er an eine Koalition SPD/CDU denkt, gar mit Grobecker. „Da würden sicherlich einige austreten.“
In Kürze will die SPD ihre Mitglieder fragen, welche Koalition sie sich wünschen und welche/n Bürgermeister/in. Wunschtraum von Heinz-Konrad Reiht: ein zweiter Schröder. Denn der sei durchsetzungsfähig. Das brauche man jetzt. Der derzeitige Vorstand dagegen – lasch. Sonst hätte er doch längst die innerparteiliche Reform umgesetzt, die vor vier Jahren diskutiert wurde.
Die innerparteiliche Reform, ach, darauf hat auch Angelika Pensky, die 1993 gegen Kunick beim Kampf um den Parteivorsitz verlor, vergeblich gewartet. Schön und gut, daß jetzt die Basis beteiligt werde bei der Bürgermeister-Wahl – doch zu spät. Pensky hatte schon vor zwei Jahren den Rücktritt Wedemeiers gefordert und eine tatsächliche Wahl des Spitzenkandi-daten durch die Parteibasis.
Überhaupt – wenn die MandatsträgerIn-nen doch endlich mehr auf die Partei hören würden, statt wie bisher solch ein Eigenleben zu führen, klagt Pensky. Die Partei sei nämlich sehr kreativ. Was habe man nicht alles an Ideen für eine mittel- und langfristige Industriepolitik entwickelt. Doch Wedemeier habe immer nur punktuell und in Notlagen Industriepolitik gemacht. Die Partei habe ihn nie interessiert.
Rot-Grün – dafür sei die Mehrheit im Unterbezirk Ost, weiß Angelika Pensky. Dennoch schreie niemand „Grobecker? Um Gottes willen!“. Dazu spüre man zu sehr den Realisten in sich: Ob solch rot-grüne Koalition mit dieser hauchdünnen Mehrheit denn überhaupt länger halte?
Und genau an diesen Realismus appelliert Moritz Thape, der für die SPD 20 Jahre im Senat war und heute Landesdelegierter im Westen ist: „Ich bin für eine große Koalition, denn um die unvermeidlichen harten Maßnahmen durchzuführen, braucht man eine breite Basis.“ Mit seiner Option für Rot-Schwarz sieht Thape sich eins mit der Parteibasis, nicht aber mit dem Parteivorstand.
Da gehe eine Spaltung durch die Partei. Sozialpolitisch befürchtet er übrigens nichts von Rot-Schwarz: „Denn die Sozialpolitk ist in erster Linie eine Bundesangelegenheit, die wird doch nicht in Bremen entschieden.“
Für das einfache Parteimitglied Heiner Overdiek aus Burgdamm ist das alles nicht so klar. Overdiek überlegt lange, bevor es sagt: „Doch, ich bin für Rot-Schwarz. Rot-Grün würde mir zwar mehr liegen, das würde aber wohl eine nervenaufreibende Sache geben. Rot-Schwarz wäre eben eine Vernunftehe, keine Liebesheirat.“
Doch Carsten Sieling vom Landesvorstand sieht dennoch eine breite Mehrheit für Rot-Grün in der Gesamtpartei. Als Indiz gilt ihm die Mitgliederbefragung zum Bundesparteivorsitz im vergangenen Jahr: Damals habe die Linke Heidemarie Wieczorek-Zeul in Bremen mehr Stimmen bekommen als anderswo, nämlich 30 Prozent.
Sicher, eine rot-grüne Koalition wäre furchtbar abhängig von jenen zwei Stimmen Mehrheit. Doch vor neuerlichen AbweichlerInnen hat Sieling gar nicht solch eine Angst: Durch die Mitgliederbefragung in der Bremer SPD wachse der Druck auf die Bürgerschaftsfraktion, sich an die Parteibeschlüsse tatsächlich auch zu halten. Also, folgert Sieling: „Eine positive Stimmung für Rot-Grün, wenn auch nicht euphorisch, sondern mit einem Fragezeichen versehen.“
cis
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