: Für Atheisten erniedrigend
betr.: „Eine Mutter stoppt das Schulgebet“, taz vom 16. 2. 09, LeserInnenbriefe dazu: „Rezitation statt Gebet“, „Entsetzliche Eltern“, taz vom 20. 2. 09
Wenn ich die Leserbriefe zu dem Artikel lese, dann kommt es mir so vor, als würde das Beten eigentlich nur noch von Atheisten ernst genommen. Wenn es den BefürworterInnen des Schulgebets hauptsächlich um ästhetische Qualitäten des jeweiligen Textes geht, können sie natürlich „Beten“ mit „Rezitieren“ gleichsetzen. Aber Beten bedeutet immer, dass die betende Person eine Haltung gegenüber einem transzendenten Gegenüber einnimmt und aus dieser Haltung heraus eine Interaktion unternimmt. Jeder Gebetstext, auch der in der taz zitierte von Bonhoeffer, gibt eine solche Haltung vor. Wenn ich nun aber als Atheist davon überzeugt bin, dass es ein solches transzendentes Gegenüber nicht gibt, oder wenn ich aus anderen Gründen nicht bereit bin, die in dem Gebetstext vorgegebene Haltung einzunehmen, dann ist ein regelmäßiges „Rezitieren“ eines solchen Textes nicht nur unsinnig, sondern auch erniedrigend für mich, weil ich zu einem Gestus gezwungen werde, der meiner Weltsicht widerspricht.
Einen Text zu rezitieren ist jedoch etwas ganz anderes: Wenn ich mit Inbrunst Goethes „Bedecke deinen Himmel, Zeus …“ aufsage, will ich dadurch die ästhetische Qualität des Textes zum Ausdruck bringen und die Haltung, die er vermittelt, darstellen, ohne dass es sich dabei um meine eigene Haltung handeln muss. Auch bei einer noch so feierlichen Rezitation wird kein Mensch vermuten, dass ich tatsächlich an Zeus glaube. Bei der Aussage „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen“ sieht das hingegen deutlich anders aus.
Insofern sollte es ganz selbstverständlich sein, dass in nicht konfessionsgebundenen Schulen kein obligatorisches Schulgebet stattfindet. Dass in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung „die Ehrfurcht vor Gott“ als Wert festgeschrieben ist, das ist schon problematisch genug. WINFRIED SCHUMACHER, Köln