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Fünfzig Schläge mit dem Holzstamm auf das Gesäß

■ Eine deutsche Besucherin in Äquatorialguinea berichtet, wie sie den ortsüblichen Umgang mit Regierungskritikern erlebte

Während wir am Sonntag in einem kleinem Dorf 25 Kilometer entfernt vom Ort Tequete an einem Fest teilnehmen, wird der Regierungsdelegierte für den Distrikt Evinayong, Luis Ogono Esono, nach Tequete gerufen. Ich treffe ihn unterwegs, er erkundigt sich nach unserem Wohlergehen: Guinea sei ein friedliches Land, hier könnten alle in Frieden glücklich werden. Er fährt dann weiter nach Tequete.

Am nächsten Tag fahren wir ebenfalls nach Tequete zurück. Ein Bekannter berichtet, daß am Sonntag ein junger Mann öffentlich verprügelt worden sei. Man erklärt mir, es sei gefährlich, ihm zu helfen, auch der Verantwortliche des Gesundheitspostens habe ihn noch nicht untersucht. Ich bestehe darauf, daß ich als Ärztin ohne Berücksichtigung von Politik jedem Kranken Hilfe leisten werde. Wenig später kommen die Leute vom Dorf in unser Haus und sagen, der Mann sei bei einem traditionellen Heiler im Nachbardorf. Nachmittags finden sich zwei andere Dorfbewohner ein, die mich tatsächlich zu dem Mann begleiten.

Der etwa 30 Jahre alte Mann ist sichtlich traumatisiert. Fünfzig Schläge mit einem Holzstamm habe man ihm auf das Gesäß versetzt, weil er die Regierung verunglimpft habe. Der Vizepräsident des Rates von Tequete, Santiage Mangué – mit dem er verwandt ist – habe ihn beim Delegierten Ogono Esono denunziert.

Die Hände zittern, während das Opfer der Prügelei mit uns spricht. Er erzählt stockend. Seine rechte Hand ist geschwollen, der Daumenballen zeigt ein Erythem und ist stark gerötet: Mit den Händen hatte er die Schläge abwehren wollen. Die Gesäßbacken sind bretthart – mit Querstreifen, die sich zum Teil geschwollen, zum Teil als offene Hautwunden darstellen und sich bis in Höhe des Beckenkamms ausdehnen. Bei dem traditionellen Heiler war er nicht gewesen.

Die Praxis, mißliebige Dorfbewohner öffentlich zu schlagen, soll weit verbreitet sein. Im Krankenhaus von Evinayong haben die Nonnen in den vergangenen Jahren schon mehrmals Opfer solcher Gewalttaten zu versorgen. Viele Oppositionelle oder angebliche Oppositionelle, wird erzählt, schlafen nicht mehr zu Hause, weil sie öfter überrascht und verprügelt worden seien. Auch Pfarrer seien Opfer solcher Übergriffe geworden. Eine spanische Ärztin, Marie Carmen, die bei „Ärzte ohne Grenzen“ beschäftigt war, wurde 1994 in ihrer Wohnung vergewaltigt und verprügelt; sie trug so schwere Verletzungen davon, daß sie sofort nach Spanien augeflogen wurde.

Bei einer Unterredung mit dem Dorfrat, in der wir die Ereignisse des Sonntags anprangern, erklärt man uns, es sei Tradition zu schlagen. Am Tag danach besucht uns ein Mann aus dem Dorf. Warum dächten wir wohl, daß er so stark hinkt, fragt er? Er sei auch gefoltert worden. Sarah Manning

Die Autorin (Name geändert) ist Medizinerin und lebte 1995 im Zuge eines Studienprogramms in Äquatorialguinea.

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