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Fünf Mark ins Klo, sonst setzt's was

■ Bremen bietet Hilfsnetz gegen Gewalt an der Schule / Krisen-Telefon verspricht überforderten LehrerInnen Hilfe in der Not

Der Zettel war in krakeliger Kinderschrift geschrieben: „Wenn Du morgen nicht fünf Mark in das rechte Schulklo legst, dann setzt es was“. Für Helene Peniuk ist das ein ganz normaler Fall von Gewalt an der Schule: Erpressung zwischen zwei Grundschülern. „Davon hören wir jetzt verstärkt“, berichtet die Frau, die am Wissenschaftlichen Institut für Schulpraxis (WIS) ein umfangreiches Hilfssystem für die 180 Bremer Schulen organisiert. Das Projekt ist das „am weitesten entwickelte Hilfsprogramm“ im Bundesgebiet, sagt Marianne Demmer, Schulexpertin der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Frankfurt – weil es neben Fortbildungen auch ein Nottelefon sowie Krisenintervention anbietet.

Während viele Bundesländer nur auf Fortbildungen setzen, bietet das WIS umfangreiche Hilfen für überforderte LehrerInnen an. Denn die sind auf die zunehmend gewalttätigen Kids nicht vorbereitet. Tatsächlich weiß Projektfrau Helene Peniuk, daß viele LehrerInnen „einfach sagen: Wer sich nicht benimmt, fliegt eben von der Schule und damit basta.“ Das Projekt startete als Versuch, dabei hätten nur zwei Drittel aller Bremer Berufsschulen mitgemacht. Derzeit suchen bei der Arbeitsgruppe „Beratung: Jugend, Schule, Gewalt“ im WIS pro Schuljahr nur bis zu sieben von insgesamt 44 SEK-I-Stufen Rat. Und nur 15 von insgesamt 73 Grundschulen.

„Wir dürfen von den Lehrern aber auch nicht zuviel verlangen“, sagt sie zum mangelnden Interesse der Lehrerkollegien: „Wir müssen ebenso andere Hilfssysteme einschalten.“ Denn was kann man tun, wenn eine Lehrerin anruft, weil ihr Schüler einem anderen vor der Schule den Kiefer eingeschlagen hat? Und was ist mit dem Lehrer, dessen Auto von einer Schülerbande im nahegelegenen See versenkt wurde? Und mit der Grundschullehrerin Karen Schmidt (Name geändert), die „völlig hilflos“ ist – weil der „dicke Viertklässler den kleinen Zweitklässler wegen ein paar Mark“ mit einem Messer bedroht hatte? Krisenfälle, die die Projektfrau Peniuk zunächst per Telefon entgegennimmt – und dann vor Ort zu klären versucht. Meist trifft sie dann auf „verwahrloste“ Kinder, die zu Hause geschlagen oder auch nur alleine gelassen werden. „Dann schalten wir die Jugendhilfe ein“, sagt sie – um die LehrerInnen zu entlasten.

Neben Hilfe in Krisenfällen bietet das Projekt Fortbildungen für LehrerInnen an – und dann steht zur Prävention die „Veränderung in den Schulen“ an, erklärt die Projektfrau, die das Hilfssystem in Anlehnung an holländische Schulreformen erarbeitete. So setzen die Schulen auf mehr Teamarbeit in den Klassen – um durch wechselnde Arbeitsgruppen mögliche Bandenbildungen aufzuweichen. Auch Klassentrainings gehören zur Schulreform – um in den Klasse gegen das „weitverbreitete Niedermachen von Kleinen, Dicken und Ausgegrenzten“ Zeichen wie die „gezeigte Arschkarte“ zu vereinbaren. Oder Außenseiter-AGs haben sich gegründet – „damit die Außenseiter sich treffen und merken: Ich bin ja nicht der einzige, der niedergemacht wird“, erklärt Lehrerin Peniuk. Manchmal reiche schon die Umgestaltung eines Pausenhofes aus, um „gefährliche Ecken von vorneherein auszuschalten.“

Die Grundschullehrerin Karen Schmidt steht mit ihrer Grundschule im Bremer Norden noch ganz am Anfang. Die Schule will anonym bleiben – aus Angst vor einem schlechtem Image. Vor ein paar Tagen hat die Lehrerin Hilfe gesucht – weil „wir im Kollegium gemerkt haben, daß wir etwas tun müssen“ – vor allem wegen der zunehmenden Erpressungsgeschichten.

Darauf hat das Bremer Hilfsprojekt bislang auch nur eine mögliche Antwort: „In Bremen lebt fast jedes fünfte Kind in verarmten Familien. Da wird sich mit Erpressung von Geld oder anderen Dingen der draußen vorhandene Reichtum ein bißchen näher gebracht“, meint die Projektfrau. Sie will für das hilflose Grundschulkollegium aus dem Norden eine Fortbildung organisieren. „Was tun, wenn die Klassenlehrerin am Ende ist?“ und „Wie gehen wir mit gewalttätigen Kindern um?“ sind nur zwei von vielen Fragen, die die LehrerInnen im Vorfeld zu Papier brachten.

Sie hatten in der Grundschule schon ein Projekt mit dem Kinderschutzbund zum Thema Gewalt organisiert. „Aber da kamen auch nur die Eltern, denen es noch ganz gut geht. Viele erreichen wir gar nicht“, sagt die Grundschullehrerin – und ist ein bißchen resigniert: „Wir wissen von vielen verwahrlosten Kindern in unserer Schule. Und was soll man bei solchen Sozialfällen tun. Da ist man im Grunde machtlos.“ Katja Ubben

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