Führungswechsel bei Wikileaks: Julian Assange gibt Chefposten ab
Der Wikileaksgründer musste seinen Posten als Chefredakteur abgeben. Grund dafür: Julian Assange hat kein Internet mehr.
Julian Assange gibt seinen Posten als Chefredakteur von Wikileaks ab. Und das offenbar nicht ganz freiwillig.
Der in Australien geborene Hacker ist seit sechs Monaten offline. So lange schon hat die ecuadorianische Botschaft in London, in deren Räume er 2012 flüchtete, ihm den Zugang zu Telefon und Internet gekappt. Weil er sich nicht an die Vereinbarung gehalten habe, keine Nachrichten mehr zu versenden, die in die Angelegenheiten anderer Länder eingreifen, so die Botschaft. Kurz vorher hatte Assange britische Anschuldigungen hinterfragt, laut denen Russland hinter der Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelagenten Skripal steckte. Seitdem dürfen nur noch Assanges Anwälte ihn besuchen.
Assange war Chefredakteur von Wikileaks seit er die Enthüllungsplattform 2005 gegründet hatte. Unter seiner Ägide veröffentlichte Wikileaks Dokumente, die Skandale bei der Julius Baer Bank und bei der isländischen Kaupthing Bank aufdeckten. Weltweit bekannt wurde Wikileaks, als sie große Mengen Geheimpapiere zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak veröffentlichten sowie Hunderttausende Diplomatendepeschen der USA.
In der Folge wurde Assange von vielen als Hacker-Popstar und unerschrockener Aufklärer gefeiert – bis er wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung und Belästigung in Schweden unter Druck geriet. Um nicht dorthin ausgeliefert zu werden, floh Assange im Juni 2012 vor den britischen Behörden in die ecuadorianische Botschaft. Die schwedischen Ermittlungen wurden 2017 zwar eingestellt – doch Assange blieb weiter in der Botschaft, weil seine Flucht gegen britische Gesetze verstoßen hatte. Und über allem schwebt Assanges Furcht vor einer Auslieferung an die USA. Hier wird ihm weiter Beihilfe zur Spionage im Zusammenhang mit den Wikileaks-Veröffentlichungen von Chelsea Manning vorgeworfen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Ecuadors Botschaft Assange das Internet abschaltet: Schon im Oktober 2016 kappten sie die Verbindung – als Assange kurz vor der US-Wahl kräftig bei der Publikation von E-Mails der US-Demokraten mitmischte. Die Mails waren bei Hackerangriffen erbeutet worden, die Russland zugeordnet werden.
Nach sechs Jahren scheint Ecuador langsam die Nase voll von Assanges Daueraufenthalt in der Londoner Botschaft zu haben: Vor einigen Tagen wurden der Versuch bekannt, den Wikileaks-Gründer mit einem Diplomatenstatus nach Russland zu schicken. Das aber scheiterte – am Widerstand von Großbritannien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
HTS als Terrorvereinigung
Verhaftung von Abu Mohammad al-Jolani?