: Frustrierte klug genug
betr.: „Stoiber schüchtert NRW-CDU ein“, taz nrw vom 13.08.2005Edmund Stoiber von der CSU hat sich mit seinen Äußerungen über angeblich „frustrierte“ und „nicht so kluge“ Wähler aus dem Osten, die den Ausgang der Wahl nicht bestimmen dürften, nicht nur einen „Fehltritt“ geleistet. Vielmehr verbirgt sich hierin eine für die Demokratie gefährliche Konsequenz der Politik vermeintlich notwendiger „Grausamkeiten“. Wer wie der neoliberal-neokonservative Mainstream breiten Wählerschichten nur noch Verschlechterungen ihrer ökonomischen und sozialen Lage als „Reformen“ anbieten kann, der wird sich nicht wundern müssen, dass diese Wähler den etablierten Parteien ihre Stimme verweigern oder sich ganz aus der Demokratie verabschieden. Stoibers „Frustrierte“ und „nicht so kluge Bevölkerungsteile“ sind allerdings klug genug, zu merken, dass die nun bereits seit Jahrzehnten von den Regierungen Kohl und Schröder betriebenen „Reformen“ (Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögende, Abbau sozialer Leistungen, Deregulierungen des Arbeitsmarktes, Kostensenkung in allen Bereichen) eben nicht die versprochenen Erfolge gebracht haben. Im Gegenteil: anhaltende Massenarbeitslosigkeit, steigende Armut, eine immer ungleichere Einkommens- und Vermögensverteilung, Binnenwirtschaftskrise und sich zunehmend ausweitende Niedriglohnarbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse zeigen nur allzu deutlich das Scheitern dieser „Reformkonzepte“ auf! [...] Nein, Stoibers Äußerungen wie auch Schönbohms Äußerung von der „Proletarisierung“ des Ostens sind keine Fehltritte. Hierin verbirgt sich eine tiefe Wahrheit – wohlgemerkt nicht die Wahrheit über die Wähler, sondern die Wahrheit über einen für alle Demokraten sehr ernst zu nehmenden Werteverfall.ROBERT ZION, Grüner Bundestagskandidat, Gelsenkirchen
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