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Frühjahrsputz in der Beziehungskiste

Wir sind verdammt spät dran“, verkündete meine Freundin letzten Mittwoch. „Der nächste Samstag ist der definitive und endgültige Termin für unseren Frühjahrsputz!“ Nachdem sich das erste Entsetzen bei mir gelegt hatte, versuchte ich mir ein paar Gegenargumente zu basteln. War gar nicht so einfach. Ich erklärte ihr, daß wir doch die Leute wären, vor denen uns unsere Eltern früher immer gewarnt haben. „Dieses Image gilt es zu erhalten“, dozierte ich, „und nicht leichtfertig durch einen dummen Hausputz aufs Spiel zu setzen.“ Ihre Anwort muß ich euch leider vorenthalten. Sie würde dieses Blatt auf die Liste der jugendgefährdenden Schriften bringen. Außerdem war sie extrem männerfeindlich.

Am Samstag um 9.00 Uhr früh wurde aus der Drohung grausame Realität. Meine geliebte Freundin hatte einen detaillierten Arbeitsplan mit exakten Zeitangaben aufgestellt. Nach einem hastigen Frühstück begann die Tortur. Während sie das Bad in Angriff nahm, befand ich mich in der Küche und versuchte Fettspritzer von den Kacheln hinter dem Herd zu kratzen. Völlig sinnlos, kein Mensch bekam diese Mistdinger jemals zu sehen, warum sie also schrubben? „Heilige Hölle“, dachte ich, „wenn meine Mutter das jemals erfährt, das bringt ihr ganzes Weltbild durcheinander.“ Nachdem ich so zwei bis drei Kacheln auf Vordermann gebracht hatte, genehmigte ich mir ein Bier. Der Boß erwischte mich. „Was ist das denn“, fragte sie angewidert. „Ein Anti-Depressivum“, verteidigte ich mich. Sie setzte gerade zu einer gepfefferten Antwort an, als das Telefon klingelte.

Es war ein Anruf für sie und gleichzeitig meine Rettung. Plötzlich hatte sie nachmittags einen wichtigen Termin, der bis spät nachts dauern würde. Sie legte also einen Zahn zu bei der Putzerei. Ich bummelte weiter herum, knackte noch ein paar Budweiser und schon war die Zeit um und sie aus der Wohnung. Der Rest des Tages verlief sehr angenehm. Ich schaute mir in der Glotze einen Film mit Clint Eastwood an (der kannte keine Reinigungsprobleme) und konsumierte fröhlich tschechischen Gerstensaft. Um zehn war ich ziemlich hinüber. Vorm Schlafengehen hinterließ ich ihr noch eine Nachricht: „Sehe mich, bedingt durch ein wenig Alkoholmißbrauch, nicht in der Lage, die zugewiesenen Aufgaben zufriedenstellend zu bewältigen.“ Am nächsten Morgen fand ich die Antwort: „Alles klar. Neuer Termin: Nächsten Samstag!“ Ist sie nicht wunderbar? Karl Wegmann

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