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Frostiger Empfang für einen Staatsgast

Vor seinem Antrittsbesuch in Ägypten schlägt Netanjahu offene Feindschaft entgegen  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Der Gast ist nicht allen willkommen. Einen Tag vor dem ersten Besuch des neuen israelischen Ministerpräsidenten in einem arabischen Land titelte gestern die liberal-intellektuelle ägyptische Wochenzeitung ad-Dustur (Die Verfassung) in roten hebräischen Lettern: „Netanjahu, wir wollen dich nicht in Kairo, und damit du es auch verstehst, schreiben wir es auf Hebräisch.“ In der ägyptischen Bevölkerung drückt sich die Stimmung gegenüber dem Staatsgast in einem Wortspiel aus. „Neten Jahu“ wird er genannt, frei übersetzt bedeutet das: „Freunde – etwas riecht verrottet“.

Diplomaten und politische Beobachter blicken Benjamin Netanjahus Antrittsbesuch zwar gelassener entgegen, Anlaß zu großen Hoffnungen haben jedoch auch sie nicht. Abdal Munim Said, der Chef des Kairoer al-Ahram-Zentrums für Strategische Studien, erwartet von Netanjahus Treffen mit Ägyptens Präsident Husni Mubarak keine Wunder: „Jeder wird seine Positionen darlegen, und man wird sich auf irgendeine Form der zukünftigen Kommunikation einigen, etwa einem Treffen der Außenminister“, meint der Spezialist für internationale Beziehungen.

Einige arabische Diplomaten hoffen, daß Netanjahu kleinere Zugeständnisse mitbringen könnte, etwa einen Termin für ein Treffen mit PLO-Chef Jassir Arafat oder einen möglichen Plan für die Verhandlungen um einen Teilrückzug aus Hebron – laut den israelisch-palästinensischen Abkommen ist der Abzug aus der im Westjordanland gelegenen Stadt längst überfällig.

Die meisten arabischen Politiker hatten bei Netanjahus erstem USA-Besuch in der letzte Woche konkretere Zusagen erwartet. Doch außer vagen Friedenserklärungen war von Netanjahu nichts zu hören, geschweige denn ein kritisches Wort von US-Präsident Bill Clinton. Bleibt die Hoffnung, daß die US-Regierung zumindest hinter verschlossenen Türen etwas Druck auf Netanjahu ausübt, damit sich dieser den Prinzipien des Friedensprozesses zuwendet. Dafür spricht ein Abkommen, das letzte Woche in Washington verkündet wurde. Danach einigten sich Israel, Libanon, Syrien, die USA und Frankreich nun endlich darauf, ein Komitee zur Überwachung des zerbrechlichen, seit Ende April geltenden Waffenstillstands im Südlibanon einzusetzen.

Nach Netanjahus Aufenthalt in Washington hatte eine intensive arabische Reisediplomatie eingesetzt. Die Außenminister des Golfkooperationrates trafen sich mit ihren syrischen und ägyptischen Kollegen. Der ägyptische Außenminister fuhr anschließend nach Moskau, während PLO-Chef Arafat zu einem Treffen mit Mubarak nach Kairo kam. Den Höhepunkt erreichte die Reisetätigkeit, als sich der jordanische Ministerpräsident Abdal Karim Kabariti Dienstag nacht zu einem überraschenden Kurzbesuch nach Tel Aviv aufmachte, um dort mit Netanjahu zusammenzutreffen. Möglicherweise hatte Kabariti, nachdem er sich mit Ägypten und Syrien koordiniert hatte, Netanjahu noch einmal dargelegt, daß dieser nicht mit gänzlich leeren Händen nach Kairo reisen könne.

Der Stratege Abdal Munim Said glaubt trotz der eisigen Stimmung an die pragmatische Ader Netanjahus und damit an eine Zukunft des Friedensprozesses: „Dieser Besuch in Kairo ist ein Teil von Netanjahus Lernprozeß. Langsam wird er sich den Realitäten anpassen.“ Andere Beobachter fürchten dagegen eine bevorstehende militärische Eskalation. Die israelische Luftwaffe könne demnächst zu einem Schlag gegen die im Libanon stationierte syrische Armee ausholen, um Druck auf die Regierung in Damaskus auszuüben, meinen sie. Das Ziel: Die im Südlibanon gegen die israelische Besatzung operierende Hisbollah solle von ihrem syrischen Protegé im Zaum gehalten werden.

In Israel selbst wird ein derartiges Szenario derzeit offen debattiert, besonders die Frage, ob die USA im Zeichen der weltweiten Terrorbekämpfung derartiges decken würde. „Wenn es morgen Opfer in mehreren syrischen Militäreinrichtungen gäbe, würde das in den USA nicht für viel Aufregung sorgen“, war unlängst in der israelischen Tageszeitung Ha'aretz zu lesen. Ein arabischer Diplomat in Kairo glaubt, daß Israel unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung zumindest einige Lager palästinensischer Oppositionsgruppen in der libanesischen Bekaa-Ebene in unmittelbarer Nachbarschaft der syrischen Einheiten bombardieren wird.

Es sind derartige Szenarien, deren Umsetzung Mubarak im Gespräch mit Netanjahu verhindern will. Zumindest bis zu den US- Wahlen im November soll der Deckel auf dem brodelnden Topf israelisch-arabischer Gegnerschaft gehalten werden. Allzu große Fortschritte im Nahost-Friedensprozeß sind dabei allerdings nicht zu erwarten.

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