piwik no script img

INTERVIEW„Friedenstruppen nach Somalia“

■ Interview mit Mustafa Ismail über die Möglichkeiten Deutschlands, zum Frieden in Somalia beizutragen

Mustafa Ismail ist Vorstandsmitglied des „Somalia-Beistandskomitees“, einer Dachorganisation parteiloser Somalis in Deutschland. Sie organisierte am vergangenen Dienstag eine Tagung in Bonn unter Teilnahme verschiedener politischer Gruppen aus Somalia, um Lösungsmöglichkeiten für den anhaltenden Bürgerkrieg zu erörtern.

taz: Was für Möglichkeiten hat Deutschland, um Somalia zu helfen und den Krieg zu beenden?

Ismail: Auf der Regierungsebene sehe ich da große Möglichkeiten. Aus Dankbarkeit dafür, daß 1977 Somalia bei der Entführung eines Flugzeuges durch die RAF nach Mogadischu den Deutschen geholfen hat, hat der ehemalige Diktator Siad Barre in den nächsten zehn Jahren über eine Millarde Mark bekommen, auch für Waffenkäufe. Wir haben die Folgen davon tragen müssen. Daher ist die Bundesregierung in der Pflicht, uns jetzt zu helfen. Außerdem genießt die Bundesrepublik in Somalia bei allen Fraktionen, die am Konflikt beteiligt sind, hohes Ansehen. Jede Intiatiave von hier aus hätte mit Sicherheit sehr große Chancen — im Gegensatz zur den italienischen Bemühungen, die von der Kolonialzeit geprägt sind, denen aber die EG und Bonn den Vortritt lassen.

Was schlagen Sie der Bundesregierung vor?

Zum einen soll sofort mit der Einrichtung humanitärer „Friedenskorridore“ begonnen werden, ähnlich wie im Sudan vor zwei Jahren, damit die Zivilbevölkerung, die sich wirklich in einer katastrophalen Lage befindet, mit Medikamenten und Nahrungsmitteln versorgt werden kann. Wir wollen, daß die Bundesregierung alles, was sie an Mitteln zur Verfügung hat, dafür einsetzt. Sie sollte diese Forderung in die UNO und in die EG einbringen. Sie sollte auch ihre sehr guten bilateralen Beziehungen zu arabischen Ländern wie Saudi-Arabien, den Golfstaaten und Ägypten nutzen, die in Somalia eigentlich sehr viel tun könnten.

Was sind Ihre weiteren Forderungen?

Weiter fordern wir, daß die Friedensvermittlungsversuche der UNO und der Arabischen Liga, die in den letzen zwei Wochen einigermaßen hektisch begonnen haben, fortgesetzt und koordiniert werden. Die Konfliktparteien müssen an einen Tisch gebracht werden, und falls sie es nicht tun, muß mit Konsequenzen gedroht werden. Denn hier geht es nicht mehr um Souveränität.

Heißt das, daß Sie auch die Entsendung von Friedenstruppen aus Europa fordern?

Ja. In Somalia ist die Ordnung zusammengebrochen, es existiert kein Staat mehr. Es ist keine innere Angelegenheit mehr, sondern es ist eine internationale Angelegenheit geworden.

Haben Sie unter deutschen Politikern Unterstützung für diese Forderungen gefunden?

Auf unserer Tagung haben die Politiker gesagt, daß die Bundesregierung bereit ist, politische und finanzielle Unterstützung zu gewähren. Und sie haben gefordert, daß wir Somalis in der Bundesrepublik unsere Vorschläge vorlegen sollen. Doch es muß auch Druck aus der Öffentlichkeit kommen, um diese Krise, die in der Geschichte Somalias beispiellos ist und die keineswegs geringer als die Krise in Kroatien ist, zu einer Lösung zu bringen. Interview: Dominic Johnson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen