Das Portrait: Friedensfilmpreis der Berlinale
■ Yesim Ustaogila
Seit Reinhards Hauffs „Stammheim“-Film 1986 den Goldenen Bären gewann, gab es bei der Berlinale nicht mehr solche Sicherheitsmaßnahmen. Vor dem Raum, in dem die Pressekonferenz zum türkischen Wettbewerbsbeitrag „Günese Yolculuk“ stattfinden sollte, steht Polizei in Kampfmontur. Es ist nicht die übliche Berlinale-Pressekonferenz, bei der Hollywood-Stars launige Anekdoten erzählen. Dort oben wartet, nervös und etwas schmallippig, Yesim Ustaoglu auf Fragen, die sie am liebsten nicht beantworten würde.
„Reise zur Sonne“ ist der erste türkische Film, in dem Kurdisch gesprochen wird, seit „Yol“, der 17 Jahre nach seiner Entstehung jetzt erstmals regulär in die türkischen Kinos kam. Ob es politischen Druck während der Dreharbeiten gegeben habe, wie die Produktionsbedingungen gewesen seien, wird gefragt. Ustaoglu läßt sich Zeit, bevor sie antwortet. Druck habe es kaum gegeben, sagt sie, andererseits mußten die Dreharbeiten einmal unterbrochen werden. Im Film sieht man die Polizei einen Verdächtigen prügeln. Die Armee ist eine namenlose Bedrohung aus Straßensperren und Panzerkanonen.
Nach der Pressekonferenz will mancher gehört haben, der Film sei in der Türkei bereits verboten, die Produktionsfirma in Verhandlungen mit staatlichen Stellen. Ustaoglu erzählt jedoch, daß die türkische Premiere für April beim Filmfestival in Istanbul geplant sei.
Politik, sagt die 38jährige Regisseurin, sei nur der Hintergrund ihres Films. Vor allem wolle sie etwas erzählen „über Menschen, die in der Fremde ihr Glück suchen“. Daß die Menschen mit Staatsterror dazu gezwungen werden, sagt sie nicht. Das Wort Kurdistan wird in ihrem Film nicht ausgesprochen, aber man sieht die zerstörten Dörfer. Ustaoglu ist im Osten der Türkei, in Sarikamis, geboren. „In der Türkei wie in allen Ländern der Welt hat man es schwer, wenn man einer ethnischen Minderheit angehört“, sagt sie.
Gestern erhielt „Reise zur Sonne“ den mit 10.000 Mark dotierten Friedensfilmpreis der Berlinale, weil „differenziert die staatliche Repression“ dargestellt wird, ohne daß ideologisch Stellung genommen werde. Ustaoglu sensibilisiere mit ihrem Film für „die Brisanz der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei“, so die Jury. Sie selbst würde das nicht so sagen. Eine mutige Frau ist sie trotzdem. Thomas Winkler
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