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Friedensdienst mit dem Betonmischer

■ Pilotprojekt geht an den Start: Bremer bauen gemeinsam mit Flüchtlingen Häuser in Bosnien

Eigentlich fehlen nur noch ein Zementmischer und ein bißchen Hausrat, sagt der Bremer Rechtsanwalt Urban Bulling. Schließlich sind die Baupläne längst fertig gezeichnet. Elf Einfamilienhäuser sollen ab Mitte April für 40 bosnische Kriegsflüchtlinge aus Bremen in Bosnien entstehen: Ein privates Pilotprojekt in Deutschland, das 150 spendenfreudige BremerInnen möglich machten.

„Innensenator Borttscheller soll nicht denken, daß wir jetzt für eine schnelle Ausreise sind“, machen der Rechtsanwalt, seine Frau Kristina und sein Bruder Claus sofort klar. Alle drei sind im Arbeitskreis „Hilfe für bosnische Flüchtlinge“aktiv und in der „Schwelle“, einer Stiftung des Bremer Hafenunternehmers Dirk Heinrich. Seit drei Jahren machen sie sich für 40 bosnische Kriegsflüchtlinge in Bremen stark – bis es vor einigen Monaten hieß: Start der ersten Abschiebephase.

„Ihr müßt jetzt etwas tun“, appellierte Frau Kristina deshalb an die Familien: Vier bosnische Männer machten sich mit den Bullings auf die Reise nach Westbosnien. „Meine Familie muß ohnehin zurück“, sagt dazu der Sabahudlin Karabegovic, der mit nach Sanski Most in „Una-Sana“gefahren ist: Der Kanton, in den die bosnischen Muslime aus Bremen laut Beschluß der bosnischen Regierung zurückkehren sollen – ihre Heimatdörfer halten die Serben noch besetzt. Fast 50.000 Menschen leben jetzt in „Sanski Most“, das im Krieg von den Serben besetzt war. 8.000 Rückkehrer werden dort erwartet. Dabei sind die meisten Häuser zerstört, es gibt kaum Arbeit. „So können unsere Bosnier hier nicht leben“, entschied die Familie Bulling und kaufte der Gemeinde ein Baugrundstück ab.

Am 17. April wird der Bosnier Karabegovic dort mit den ersten neun Männern zum Spaten greifen: „Sie werden bei einer bosnischen Baufirma arbeiten, die das Diakonische Werk unterstützt, und ihre Häuser selber bauen“, sagt Kristina Bulling, „das soll Hilfe zur Selbsthilfe sein.“Daß die Frauen erstmal in Bremen bleiben, sei „bei den Muslimen so.“

„Wohnen und arbeiten können“, diese Dinge fallen Karabegovic zuerst für den neuen Start in Bosnien ein. Das Hausprojekt findet der 30jährige „gut. Wir danken für die Hilfe“, sagt der ehemalige Deutsche Bahn-Mechaniker, der sich in Sanski Most vorerst nur mit Landwirtschaft über Wasser halten kann. Die Bremer Initiativen haben noch 30.000 Quadratmeter Ackerland für die Familien gepachtet. Aber eigentlich will Karabegovic mit Frau Elisa und Tochter Ajila irgendwann in sein Heimatdorf zurück, und das macht ihm Sorge: „Wenn wir das politisch nicht schaffen, ist das nicht mehr unser Bosnien. Wir müssen kräftig sein.“

„Der Pusher“, so nennt Familie Bulling den 30jährigen eigentlich. „Viel Power“brauche das Projekt, das sie auf die Beine gestellt haben, „weil uns das Problem einfach nahe gegangen ist.“Jetzt wird nochmal die Spendentrommel gerührt: 100.000 Mark hat das Diakonische Werk aus Stuttgart gespendet, 500.000 Mark kamen durch die Spender der beiden Initiativen sowie eine weitere Privatperson zusammen. Der Architekt zeichnete umsonst. „Jetzt fehlen noch 100.000 Mark“, sagt Kristina Bulling – damit ein ebenfalls gespendeter LKW Mitte April nach „Sanski Most“rollen kann. kat

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