Freundschaft statt Tinder: Friendship is the new romance

Der Paarbeziehung das Liebesmonopol nehmen und andere Beziehungsformen mehr wertschätzen. Das ist die Tür zu mehr Gemeinschaft, findet unsere Autorin.

Romantische Beziehungen - auch für Victoria von Schweden und Daniel Westling ein überholtes Konzept? Foto: APN

taz lab, 18.03.2023 | Von MICHELLE MAIER

Heute single zu sein ist scheiße. Oder? In der analogen Welt traut sich aus Angst vor Abweisung niemand mehr andere anzusprechen, und vor dem Smartphone swiped man sich den Finger wund bei der schieren Überflutung an potenziellen Partner*innen.

Lifestyle-Magazine überschütten das Internet mit Artikeln über „neumodische“ Dating-Fettnäpfchen wie „Ghosting“ und „Breadcrumbing“. Und in den sozialen Medien wird man zur Reflexion darüber animiert, warum man so eine Niete bei der Partnersuche ist – schon mal daran gedacht, an deinem Bindungsstil zu arbeiten?

Das alles könnte einen alarmieren, gerade weil die Statistiken zeigen: Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich einsam – Singles natürlich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit. Aber man könnte auch sagen: Dieser „beschissene“, von Unverbindlichkeit und schlechter Kommunikation geprägte Partnermarkt, über den sich gerade alle beschweren, ist eine Chance.

Michelle Maier, Jahrgang 2000, ist taz lab-­Redakteurin und macht ihren Master in Osteuropa­studien. Zuvor hat sie in Mannheim Politik studiert. (Foto: privat)

Single bleiben aus Protest

Viele empfinden das Single­dasein immer noch als Zustand, den es zu überwinden gilt. Doch wenn alle Singles kläglich am derzeitigen Partnermarkt scheitern, haben wir keine andere Wahl, als das Leben ohne romantische Zweierbeziehung zu normalisieren. Das wäre der Anfang vom Ende der heteronormativen monogamen Beziehung als gesellschaftliches Leitbild.

Die aktuellen Machtstrukturen profitieren doch viel zu sehr davon, wenn sich alle in der romantischen Zweisamkeit isolieren: Wo sonst können ungesunde und gefährliche Abhängigkeitsverhältnisse so gut gedeihen wie in der Paarbeziehung? Wenn wir der Zweierbeziehung ihr Liebesmonopol nehmen, schaffen wir Raum für mehr Gemeinschaft.

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Wir fangen an, andere Beziehungen mehr wertzuschätzen, investieren eher in diese und schaffen so liebevolle, tiefgründige und platonische Beziehungen. Um es in den Worten von bell hooks zu sagen: „One of the most vital ways we sustain ourselves is by building communities of resistance, places where we know we are not alone“. Am Ende rettet uns Gemeinschaft. Also Zeit, den Freun­d*in­nen mal Blumen zu schenken.

Unsere Au­to­r*in­nen schreiben hier ­wöchentlich über Zukunft und Zuversicht.