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Freundliche Nervensägen unter sich

■ „Nudnik 2000“: 13 israelische und deutsche KünstlerInnen stellen auf kx aus

Ein kompliziert gebauter Spiegelschrank für Glasperlenspiele und in symbolischen Formen arrangierte Perlenketten: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Das Designkunststück von Frank Lindow, Assistent von Architekturmodellkünstler Stephen Craig in Hamburg, und die Fotoserie von dem in Rotterdam lebenden Israeli Gil Nader sind zwei Arbeiten einer Gemeinschaftsausstellung von 13 israelischen und deutschen Künstlerinnen und Künstlern. Der Versuch, auf Kampnagel so unterschiedliche Kunst- und Lebenswelten zusammenzubringen, nennt sich Nudnik 2000. Das hebräische, aus dem Russischen stammende Wort bedeutet Nervensäge, kann aber auch eher freundlich neckend gemeint sein.

Alles andere als nervig jedenfalls ist die kurze Schleife des sanft schaukelnden „Mannes in Meditation“, die Adi Ben-Corin an mehreren Stellen projiziert, auch aus dem Fenster hinaus ins Düstere. Öffentliches und Privates mischt sich ebenso in den Fotos von Barak Reiser: Auf dem Hintergrund einer architektonischen Wandzeichnung zeigt er Momentaufnahmen städtischen Lebens mit auf den zweiten Blick leicht verwirrenden Details. Richtig hübsch anzusehen sind dagegen die nächtlichen Ansichten lauschiger Ecken an Ufern und Parks in Paris und den Niederlanden. Von Moti Porat eher flach und konventionell gemalt, würden sie als bloß dekorativ durchgehen, ahnte man nicht, dass es mit den dargestellten Orten irgendeine besondere Bewandtnis haben muss: Was so bürgerlich daherkommt, sind Bilder von Treffpunkten der Gays.

Solche Differenzen zwischen Inhalt und Form nutzt auch der Schwabe Thomas Raschke. Er baut fremdartige Modellskulpturen präziser Maschinen aus dem peripheren Material Wellpappe. Und bei Adi Mendeler findet sich die Andeutung einer übergeordneten Form gar erst durch eine geradezu akrobatische Dressur, der die von überall her zusammengesammelten kleinen Fundstücke unterzogen werden.

Auf dem Weg zur Videolounge wuseln seltsame, weißgeschuppte Keramiken auf dem Boden herum. Es sind die „Muttertiere“ von Christine Saalfeld, die die Gruppe als Kuratorin zusammengebracht hat. Die Ausstellung dann zu realisieren, war eine neunmonatige Arbeit, die Stephan Schildberg vorwiegend mittels E-mails in alle Welt organisiert hat. Und doch vermag sich die angestrebte Gesamtkonzeption von Nudnik 2000 nicht ganz zu vermitteln, trotz einer intensiven Zeit des Zusammenlebens der Künstler in den Räumen von kx. Aber Prozesse sind eben keine Ergebnisse. Wie heißt es doch in dem schönen Biografiespiel der Hamburgerin Stefanie Soost: „Wenn das Haus fertig ist, kommt der Tod.“ So gesehen zeigen die „Nervensägen“ viel Leben. Hajo Schiff

„Nudnik 2000“, kx, Jarrestraße 20, Do + Fr 16 - 20, Sa + So 14 - 18 Uhr, noch bis 6. Februar, Kartensammlung als Katalog, 15 Mark

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