piwik no script img

■ Urdrüs wahre KolumneFreunde im Hamsterlaufrad

Sein Hirtenwort zur Kohl- & Pinkel-Zeit gab dieser Tage Landesinnungsmei-ster Leo Moll für das Fleischerhandwerk Bremen-Niedersachsen zum Besten: Auch bei der mitunter nebst Bauchfleisch und Kassler dazugereichten Bregenwurst kann der norddeutsche Konsument sicher sein, daß diese kein Gramm des gefürchteten Rinderhirns enthält, obwohl der mundartliche Begriff „Bregen“ zweifellos für Gehirn steht. „Bierwurst enthält schließlich auch kein Bier“, meint Meister Moll dazu aus der Perspektive der Schlachtmolle. Wir ergänzen: Kohl allein bleibt Kohl und muß niedergemacht werden. Massenhaft!

t

Im wenig reputierlichen Bahnhofslokal „Bierfaß“ bot mir bereits am letzten Sonntag ein als „alter Vulkanese“ ausgewiesener Stammbesucher des Bremer Catchturniers eine Wette darauf an, daß nach der Schließung der Werft halb Bremen brennen würde und ganz zuerst die Banken. Möge die HBV im Interesse ihrer Mitglieder doch bitte die verstärkte Installation von Rauchmeldern und Notleitern in den Manteltarifvertrag aufnehmen.

t

A bisserl schäbig und mindestens ebenso unverständlich finde ich Forderungen „aus der linken Ecke“, disziplinarische Maßnahmen und verschärfte Ermittlungen gegen Schorse von Bock und Po-lach einzuleiten: Ist Untätigkeit nicht die einzige Form des Widerstands gegen die Klassenjustiz, die das Hamsterlaufrad der Ermittlungsbehörden dem Menschen im Staatsanwalt läßt? Und ist nicht eine Männerfreundschaft wie die zwischen Hans-Georg und Ralfi höher einzuschätzen als sture Aktenwenderei? Seid Sand, nicht Öl im Getriebe!

t

Ein Schlaglicht auf die innere Verfassung dieser Nation wirft das Ergebnis einer Forsa-Umfrage der Regenbogen-Kampfpresse des Hoch- und Geldadels mit dem rrröstfrischen Namen GALA: Danach sind die beliebtesten Deutschen des Jahres Bundespräsident Roman Herzog und Schauspielerin Uschi Glas. Ein schönes Paar fürwahr!

t

Daß der Bremer Flohmarkt wegen des kollektiven Bordellbesuchs bundesdeutscher Dachdecker beim Jahrtausend-Projekt der „Dach und Wand“ für zwei Monate und nunmehr nicht nur nicht verlegt wird, sondern ganz und gar ausfallen soll, belegt den fanatischen Haß der hanseatischen Kindergarten-Selbsthilfegruppe für das Messewesen auf die wahrhaft freie Marktwirtschaft. Dies zu mißbilligen, hindert uns nicht einmal die Hoffnung, daß durch solche Elefantentritte auf den Geldschlauch am Ende der kulturökologische Schadensfall der Breminale-Firma in die Pleite getrieben werden könnte: Schließlich schmieren auch die schlichten Handelsfrauen und -männer mit ihren Tapetentischen durch diese Zwangspause ab, und die alleinerziehende Mutter wird für den Kauf von teuren Strampelhosen in die Eduscho-Hausfrauenschicht gezwungen. Falls es die dann noch gibt!

t

Im ICE zwischen Bremen und Hannover sitzt mir dieser Tage ein ziemlich attraktive Dame um 30 gegenüber, kramt in einem überdimensionalen taubenblauen Schminkkoffer und beginnt im fahrenden Zug mit der Malerei. Drückt mir schließlich einen Spiegel in die Hand, den ich nunmehr mal so, mal so halten soll, „nur eine Minute, bitte!“. Und nachdem diese Minute fast eine Viertelstunde gedauert hat und der Arm fast erlahmt ist, setzt sie mir mit gespitzten Lippen im Überrumpelungsangriff einen Kuss auf die bartstoppelige Wange und haucht „Das haben Sie ganz brav gemacht. Vielleicht sieht man sich mal wieder!“ Den Dank, Dame, begehre ich nicht. Und der Lippenstift war nicht einmal kussecht...

Ulrich Rastafari Reineking

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen