piwik no script img

„Freude und Idealismus“

■ Für die Sicherheit von Obrigheim sind die PR–Abteilungen zuständig / Selbst Fußballspielen ist gefährlicher

Stuttgart (taz) - „Die Fußballnationalmannschaft mit höherer Strahlendosis als die Kernkraftwerkmitarbeiter“, „Von Stillegung kann gar keine Rede sein“, und selbst „die UNO setzt auf Kernenergie“, so die Überschriften in der Hauspostille des AKW Obrigheim. Die Ausräumung sicherheitstechnischer Bedenken scheint im Odenwälder Atommeiler ganz der PR– Abteilung anheim zu fallen. Und wo selbst mit aufwendigen Broschüren und dem eigenen Monatsblatt nicht der letzte Rest Mißtrauen ausgeräumt wurde, helfen andere nach. Eine Regionalzeitung druckt da schon mal eine Stellungnahme der Betreiber des AKW ungezeichnet als redaktionellen Beitrag, die Bild–Zeitung kritisiert mangelhafte Berichterstattung über ein Obrigheimer Pro–Kernkraft– Meeting zusammengekarrter AKW–Betriebsräte, die PR–Abteilung des Stuttgarter Wirtschaftsministeriums erzählt vom Sonntagsausflug ihres Ministers zusammen mit der Familie ins AKW–Obrigheim. Den Rest besorgen Mitarbeiter und Betriebsräte des AKW im Kollegenkreis und den Funktionärsetagen der ÖTV. Die Argumente haben sich in zwei Jahrzehnten nicht geändert. Bei den „gewaltigen Investitionen muß man auf zehn Jahre im voraus planen und Kernkraftwerke mindestens 30 bis 40 Jahre lang betreiben“ und nicht die Energieprogramme wechseln wie ein schmutziges Hemd. KWO–aktuell, die Monatszeitschrift der KKW–Obrigheim GmbH weiß, daß Umweltministerien und Ärztegremien immer wieder darauf hingewiesen hätten, daß von deutschen Atomkraftwerken keinerlei Gefahren ausgingen, und Siegfried Lange, SPD–Mitglied und Betriebsratsvorsitzender des AKW, hat überhaupt kein Verständnis dafür, daß einige Politiker den Ausstieg aus der Kernenergie für Stimmengewinne ihrer Partei nutzen wollen. „Das AKW Obrigheim“ - und Betriebsrat Lange wird heftig - „ist sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand, sonst würden wir hier nicht arbeiten.“ Schließlich: 126 Nachrüstungen wurden seit Betriebsbeginn hier durchgeführt, auch ohne daß die Behörden das verlangt hätten. Und der Vorstandsvorsitzende der KWU: „In der Regel ist die Sorge der Menschen unbegründet, wenn sie eben nur soviel wüßten wie wir.“ Vergangenes Jahr, am 1. Mai, erhielt der Direktor des AKW Obrigheim im Auftrag des Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz für seine „vielfältigen Bemühungen um Mitmenschen und Mitbürger, für Idealismus, Freude und Verantwortungsbewußtsein“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen