: Freispruch für Sarodnik?
■ Staatsanwalt: Vergewaltigung im Knast mußte nicht angezeigt werden
War der Ex-Santa-Fu-Chef Wolfgang Sarodnik doch nicht verpflichtet, die von einem Häftling begangenen Vergewaltigungen mehrerer Vollzugsbeamtinnen anzuzeigen? Gestern zeichnete sich im Revisionsverfahren vor dem Oberlandesgericht eine Wende ab: Während Sarodnik in erster und zweiter Instanz wegen Strafvereitelung im Amt zu Bewährungsstrafen verurteilt wurde, plädiert jetzt nicht nur der Verteidiger, sondern auch die Staatsanwaltschaft auf Freispruch.
Zwischen 1981 und 1989 überfiel ein zu lebenslanger Haft verurteilter Gefangener insgesamt fünf Frauen. Alle hatten sich dem Anstaltsleiter Sarodnik anvertraut. Der hatte jedoch, auf Wunsch der Opfer, keine Anzeige erstattet, sondern versucht, ein „Warnsystem“ einzurichten.
Der Sachverhalt selbst ist unstrittig, nicht aber, ob der Knast-Chef die Straftaten hätte zur Anzeige bringen müssen. „Ich fühle mich unschuldig, weil ich eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiterinnen hatte“, argumentierte Sarodnik bei seiner ersten Verhandlung 1992. Doch das Amtsgericht sah es damals als erwiesen an, daß der Anstaltsleiter als Beamter zur Strafverfolgung verpflichtet war: ein Jahr Haft auf Bewährung. Auch in zweiter Instanz vor dem Landgericht im Juni 1994 verlor Sarodnik und wurde zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt. „Die Entscheidung, dem Wunsch der Frauen nachzukommen, hat ihn nicht von der Rechtspflicht der Anzeige entbunden“, begründete Richter Augner seine Entscheidung, „Herr Sarodnik war als Obhutsgarant zur Strafverfolgung verpflichtet.“
Schon bei den ersten beiden Verfahren hatte Sarodnik, der als beliebter Anstaltsleiter galt und für den liberalen Strafvollzug eintrat, Rückendeckung vom jetzigen Generalstaatsanwalt und Sarodniks damaligem Vorgesetzten Arno Weinert erhalten. Jetzt vertritt auch der Oberstaatsanwalt die Ansicht, daß es für Anstaltsleiter – anders als bei PolizistInnen oder RichterInnen – keine gesetzliche Vorschrift zur Strafanzeige gebe. Am Freitag wird das Oberlandesgericht das Urteil verkünden.
Silke Mertins
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