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Freispruch für Lambsdorff gefordert

■ Im Flick–Parteispendenprozeß spricht der Verteidiger von „Verbotsirrtum“ des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers / Die Finanzverwaltung soll die Spendenpraxis der Parteien „geduldet“ haben

Bonn (dpa) - Nach Ansicht der Verteidigung von Otto Graf Lambsdorff muß der frühere Bundeswirtschaftsminister in Sachen Parteien–Umwegfinanzierung freigesprochen werden. Während die Staatsanwaltschaft dem Politiker „nachdrückliches Handeln über zehn Jahre hinweg“ als strafschärfend anlastete und 15 Monate Freiheitsentzug mit Bewährung forderte, kam Rechtsanwalt Sven Thomas aus Düsseldorf zu einem ganz anderen Ergebnis: Graf Lambsdorff sei von einem namhaften Steuerberater dahingegend beraten worden, daß steuerbegünstigte Quittungen von „politi schen Vereinen“ für Spender zulässig seien. Bei Lambsdorff habe also ein „Verbotsirrtum“ vorgelegen, er habe das Unrechte seines Handelns nicht erkennen können. Und auch von Beihilfe zur Steuerhinterziehung könne nicht die Rede sein: Den Verantwortlichen aus den sieben Spenderfirmen - nämlich Commerzbank, Flick, Gute Hoffnungs–Hütte, Klöckner, Mannesmann, Otto Wolff, Veba - sei bisher ein „Vorsatz“ nicht nachgewiesen worden. Folglich könne Graf Lambsdorff kein „Beihelfer“ sein, da der „Haupttäter“ fehle. Im übrigen setzte sich Thomas detailliert mit dem Wissen der Finanzverwaltung auseinander: Sowohl im Bundestag wie im nordrhein–westfälischen Landtag und in den Finanzministerien sei das Problem der Umwegfinanzierung bekannt gewesen. Es gab parlamentarische Anfragen, Staatssekretär Offergeld kündigte eine Untersuchung an, deren Ergebnis jedoch gleich Null war. Im einzelnen könne man zwar keinem Beamten konkret Wissen nachweisen, jedoch sei so viel darüber geschrieben worden, daß es nur einen Schluß hätte geben müssen: Es gab „politische Vereine, die für die FPD tätig waren“. Man müsse insgesamt von einer „stillschweigenden Duldung“ der Finanzverwaltung in Sachen Parteispenden ausgehen. Rechtsanwalt Thomas verwies auf das Verhalten der Bonner Staatsanwaltschaft von vor sechs Jahren: Damals seien zwei CDU– Akquisiteure mit Strafbefehlen von 3.000 beziehungsweise 10.000 Mark davongekommen. Ein dritter wurde wegen der Akquisition von Spenden überhaupt nicht angeklagt, er habe nur einen Strafbefehl wegen persönlicher Steuerhinterziehung bekommen. Und dies bei einem Betrag von über 1,6 Mio.DM Parteispenden.

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