piwik no script img

Freiheit für den Fälscher

■ Das „Kommando Michael Born“ kämpft für ein Recht auf Lüge: „Wer nichts erfindet, bekommt auch keinen Kisch-Preis“

Im Prozeß vor dem Koblenzer Landgericht saßen sie in der letzten Reihe. Das Transparent, auf das sie in großen Lettern „Freiheit für Michael Born“ gepinselt hatten, nahmen sie wieder mit nach Hause – ohne es einmal entrollt zu haben. „Die Stimmung war von Anfang gegen uns“, sagt Stefanie Austermeier, Vorsitzende des „Kommando Michael Born“, das für die Freiheit des Fälschers kämpft.

Nachdem Born bereits letzten Sonntag auf der Frankfurter Buchmesse ein „Wahrheitspreis für mediale Wirklichkeitskonstruktion“ verliehen worden war, sollen weitere Aktionen folgen. „In einer der nächsten Sendungen von ,Stern TV‘ werden wir uns an die Kameras ketten“, kündigt Austermeier an, die selbst eine Ausweitung des von Born initiierten Hungerstreiks für möglich hält. „Aber dann vor laufenden Kameras.“

Um sich Beistand zu sichern, sollen prominenten Journalisten Mitgliedsanträge zugefaxt werden. „Da kommt praktisch die ganze Bunte-Redaktion in Frage, aber auch viele Leute vom Spiegel und der Zeit“, ist sich Austermeier sicher. „Alle, die selbst Dreck an der Tastatur haben, zeigen jetzt auf Born“, beklagt auch Fritz Jauchenbusch, selbst Fernsehjournalist auf Kommando-Ebene.

Überraschend: Die meisten Born-Fans arbeiten nicht beim Fernsehen, sondern schreiben für angesehene Zeitungen – meist unter Pseudonym. „Wer nichts dazuerfindet, bekommt auch keinen Kisch-Preis“, begründet Volontär Kurt Schnipp sein Engagement für Born. Gerade im Printjournalismus werde viel mehr gelogen als im Fernsehen, und irgendwelche Zitate könne man schließlich noch viel weniger nachprüfen als Kamerabilder. Außerdem habe schon früher die komplette Redaktion der Weltbühne bei Tucholsky abgeschrieben.

Noch muß das Kommando seinen Kampf im Untergrund führen. Nur die wenigsten Mitglieder wollen sich in ihren Redaktionen als Born-Sympathisanten outen. Um nicht als Nestbeschmutzer gemobbt zu werden, haben sich die Born-Anhänger ein Erkennungszeichen ausgedacht: Gegen eine Schutzgebühr erhält jeder von ihnen ein kleines Amulett mit einigen Haaren von Michael Borns Vollbart, den er sich aus Protest gegen die verschärften Haftbedingungen abgenommen hatte.

Ebenfalls zum Born-Kult gehören inzwischen die wöchentlichen Treffen, auf denen viele ähnliche Ku-Klux-Klan-Kapuzen tragen, wie sie Born einst für einen Beitrag in „Stern TV“ anfertigen ließ.

„Natürlich ist da auch ein bißchen Gaudi bei“, sagt die Vorsitzende Austermeier, und man weiß nicht so recht, ob das wirklich stimmt. Gert Bergner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen