Reaktionen zum Rutschky-Schlagloch (II): Free your inner child
betr.: „We don’t want Papa Sam“, taz vom 24. 10. 01
Sie sagten, wir sollten uns nicht wie Kinder benehmen? Warum eigentlich nicht? Ich meine, gerade wir Erwachsenen können von den Kindern ’ne ganze Menge lernen! Denn nur sie gehen in „naiver“ Weise Probleme und Ungerechtigkeiten an und haben meistens ein ausgeprägtes Gespür dafür. Nur sie haben noch Phantasie, Optimismus und ein unerschütterliches Ungerechtigkeitsbewusstsein, was vorbildlich für uns alle sein sollte. Ich fände es traurig, wenn die Leute von Attac diese meinetwegen „kindlichen Ideale“ aufgeben würden. SEBASTIAN TÖLLE, Lohne
Heutige Kinder sind viel intelligenter – und unverstellt ehrlicher! –, als Herr Rutschky das seinem inneren Kind zutrauen oder gar zugestehen mag. Statt Rutschkys Imago-Kind nachzuplappern: „Schadet meiner Mutter gar nichts, wenn mir die Hände abfrieren . . .“, erkennen neudeutsche Kids (blöderweise höhöhö!) schamlos: „Fuck their (father’s and mother’s) fucking (middle)fingers!“
Free your inner child, super-daddy rutschky! Die Welt ist kein Roman (wie Berlin), und Kinder werden immer größer!
GERD BÜTTNER, Bielefeld
Ist vielleicht möglicherweise annähernd und mit besonderer Erlaubnis von Herrn Rutschky die Frage gestattet: Ist Antiamerikanismus nicht erlaubt, also verboten? Sicher, aber nur in einem Land, in dem, solange dazu Gelegenheit war, Antisowjetismus oder auch -kommunismus eine staatsbürgerliche Pflicht war. [. . .]
Obwohl: Peter Schneider hat in Die Woche mit noch weniger Argumenten noch mehr Verwirrung zu stiften versucht. Aber das muss eigentlich für die taz kein Ansporn sein.
RICHARD KELBER, Dortmund
Was soll denn das sein, Antiamerikanismus, dieses inflationär benutzte Totschlagargument? McCarthy lässt grüßen. Amerika ist bekanntlich nicht nur die USA, ständig die Begriffe zu vertauschen entspringt imperialen Denken. Überhaupt geht es nicht um die Völker, die dort leben, sondern um die Militärpolitik der USA, um die protektionistische Wirtschaftspolitik des „Freien Westens“ und um Rassismus in Form von Kollateralschäden wie chinesische Botschaften und afghanische Krankenhäuser. [. . .]
ECKART MÖHLENBECK, Potsdam
Rutschky macht schon am Anfang seiner Ausführungen den für ihn offensichtlich verwerflichen Tatbestand des Antiamerikanismus bei den Attac-Anhängern aus. Dieser Denkfigur, die ja eigentlich im Sinne ihrer Benutzer eher einem Denkverbot gleichkommt, begegnet man ja in ihrer meist mit schlichter Selbstgefälligkeit vorgetragenen Art und Weise nicht so selten. Antiamerikanismus ist per se ungehörig. Wenn man einmal etwas zur Begründung hört, dann handelt es sich meist darum, dass auf die Rolle der USA bei der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus oder ihrer Beschützerrolle gegen den Kommunismus verwiesen wird. Wenn einem dieser historische Hintergrund, den man nicht einmal sehen muss, Kritik an dem sonstigen Treiben der USA in der Welt verbieten soll, entlarvt sich das Ganze ja wohl als ziemlich dürftige Argumentation, die sich genau auf dem kindlich-kindischen Niveau bewegt, das Rutschky den Attac-Leuten unterstellt. [. . .] Alle, alle, die die Politik der USA kritisieren, arbeiten sich also an den USA ab wie an einem Eltern-Imago, betreiben „scharfsinnig-dummes Rebellieren“ gegen die Eltern!? [. . .] Er kann sich offenbar gar nicht vorstellen, dass es auch berechtigte Kritik gibt, selbst an den Eltern, erst recht an den USA, und dass man sich, wenn nötig, auch von seiner Politik distanzieren muss, zumal wenn sie immer wieder Militärintervention, das heißt Krieg, bedeutet. [. . .] AXEL BOLDT, Bremen
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