piwik no script img

In­nen­mi­nis­te­r*in­nen­kon­fe­renzDie Liste des Grauens für Geflüchtete

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Auf der In­nen­min­s­te­r*in­nen­kon­fe­renz wird die Migrationspolitik diskutiert. Die aktuellen Vorschläge sind moralisch falsch und rechtlich fragwürdig.

Grenzpatrouille in einem Wald in Brandenburg findet Hinterlassenschaften von Migranten Foto: Markus Schreiber/ap

M an konnte schon Hoffnung schöpfen. In den ersten Wochen des anlaufenden Wahlkampfs wurde vor allem über Themen gesprochen, die tatsächlich wichtig sind für Deutschland: Wirtschaft, Finanzpolitik, Ukraine-Unterstützung und die Vertrauenskrise der Bevölkerung bei einer gewissen gelben Ex-Regierungspartei.

Nun aber hieven die In­nen­mi­nis­te­r*in­nen der Länder ein Thema wieder aufs Tablett, um das es bisher erfreulich still war: Fluchtmigration.

Der Beschlussentwurf, den Brandenburg und einige CDU-geführte Länder vor der Innenministerkonferenz ausgearbeitet haben, ist eine Liste des Schreckens: Zurückweisungen an den Außengrenzen, Leistungskürzungen sowie Kürzung der Rechtsmittel in Asylverfahren, die am besten sowieso in Drittstaaten ausgelagert werden sollten, sind nur einige der Forderungen. Mehr Abschottung also und möglichst viel Elend für alle, die trotzdem kommen.

All das ist nicht nur moralisch falsch und rechtlich fragwürdig, es droht auch die öffentliche Debatte wieder in eine Richtung zu lenken, die völlig an dem vorbeigeht, was wirklich relevant ist.

Es gäbe Wichtigeres zu tun

Deutschland steckt in einer Wirtschaftskrise, während auf die USA als Handelspartner bald kein Verlass mehr sein wird. Gleichzeitig erstarken die Rechtsextremen im Land immer weiter. Und das imperialistische Russland rüstet weiter auf.

Nichts davon hat mit Geflüchteten zu tun. Das einzige migrationspolitische Thema, über das es sich zu sprechen lohnen würde, ist die schleppende Fachkräftezuwanderung, die erleichtert werden muss, wenn die deutsche Wirtschaft wieder wachsen soll.

Viel hängt jetzt an der Union. Deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz war bis vor wenigen Monaten ebenfalls einer der asylpolitischen Scharfmacher – doch zuletzt waren von ihm keine neuen Provokationen mehr zu hören. Bei diesem Kurs der relativen Vernunft muss er bleiben.

Andernfalls dürfte eine weitere Runde der Flüchtlingsdebatte anstehen, die dann droht den ganzen Wahlkampf zu vergiften. Nichts braucht dieses Land gerade weniger.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Und ich dachte wirklich die Migranten sind an allem schuld. Eben war alles noch so einfach und jetzt soll man tatsächlich selbst denken, wo soll das noch enden?

    • @TV:

      Nein, die haben nicht Schuld. Aber es gibt zu wenig Wohnungen, Ärzte, Lehrer, Kitas usw. Und es gibt zu wenig Geld um alle Flüchtlinge zu finanzieren. Das sind Tatsachen, an denen Flüchtlinge keine Schuld haben

  • Ein Vorfall mit Asylbewerbern, fast egal was, schon geht die nächste AfD-Rakete ab, knallen bei den Braunen die Sektkorken. Man erinnere sich an Solingen, an Mannheim, "alle Syrer raus", "alle Afghanen raus, egal wie", es wurde gegiftet von Merz bis Söder, selbst die Sozis und Grünen wollten nicht mehr widersprechen. Natürlich ist nicht wirklich etwas von dem hanebüchenen Unsinn passiert, den die Union fordert, zum Glück. Trotzdem vergiftet das die Stimmung immer mehr, schuld daran ist nicht nur die AfD, leider zündeln auch die sogenannten Altparteien und das BSW fleißig mit.



    Die Migrationspolitik muss dringend versachlicht werden, auch muss sie richtig eingeordnet werden. Probleme dort sind mit Geduld und entsprechender Bereitschaft der Gesellschaft lösbar, außerdem gibt es größere und drängenderer Probleme., die Herr Eikmanns völlig zurecht nennt.

  • Blöderweise ist das Thema in den Haushalten der Bundesländer bis hinunter in die kommunale Ebene nicht Wahlkampf, sondern akut.

    Und ja, das ist wichtig, weil es auch sie an der einen oder anderen Stelle ganz konkret betrifft.

  • Bei welchen Etat-Positionen der Länder gibt es den derzeit die größten Abweicheungen zwischen der Soll- und Ist-Postition? Die meistgenannten dürften alle mittelbar mit Migration in Zusammenhang stehen.

    Themen wie "Wirtschaft, Finanzpolitik, Ukraine-Unterstützung" machen das Ganze für die Länder dann gelinde gesagt auch nicht einfacher.

    Kein Wunder also, dass der Schuh bei den Ländern drückt und diese endlich echte Lösungen einfordern.

    Und eine angebliche "Vertrauenskrise der Bevölkerung bei einer gewissen gelben Ex-Regierungspartei" sehe ich nicht als echtes Problem. Das ist allenfalls für die Ex-Regierungspartei ein Thema und wird sich am Wahlabend zeigen.

  • Ich zitiere mal:



    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

    Ich finde da keinen Zusatz "gilt nicht für Asylsuchende und Geflüchtete".

    • @1Mj3tI39F:

      Dann lesen Sie sich mal die Genfer Flüchtlingskonvention, EU Verträge und GG Paragraph 16a durch. Wieviel Asylsuchende hätten wir denn wenn wir uns an all das halten würden?

    • @1Mj3tI39F:

      Dieser Passus wird in der Juristerei so interpretiert, dass der Staat es als seinen Standpunkt festsetzt, dass jedem Menschen eine inhärente Würde zusteht, die er nicht in Frage stellen darf. In der Praxis ist dies aber wenig hilfreich. Wenn Sie auf einer Demo von einem Polizisten zusammengeschlagen, angespuckt und misshandelt werden dann können Sie allenfalls darauf hoffen, dass der Täter, als Teil der Exekutive, wegen Körperverletzung verurteilt wird, einen separaten Anspruch das er auch verurteilt wird, weil er ihre Menschenwürde mit Füßen getreten hat gibt es nicht.

      Von daher klingt der Passus super, ist in der Praxis aber wenig hilfreich, bis der Sachverhalt vorm Verfassungsgericht landet, welches diesen Grundsatz dann evtl. in Ihrem Sinne interpretiert.