Frauenfußball beim Hamburger SV: Der steinige Weg nach oben

Die HSV-Frauen haben die Meisterschaft in der Regionalliga Nord vorzeitig gewonnen. Der Aufstieg in die 2. Bundesliga ist aber noch nicht geschafft.

Catharina Schimpf steht inmitten von HSV-Spielerinnen.

Sieht zuversichtlich in die Zukunft: Catharina Schimpf (Mitte), Frauenfußball-Koordinatorin beim HSV Foto: Felix Schlikis/Imago

HAMBURG taz | Catharina Schimpf kontert alle Fragen, als sei sie immer schon eine Gedankenumdrehung weiter. Seit Juli 2021 ist sie Koordinatorin Frauenfußball beim Hamburger SV. Seitdem geht es aufwärts bei den Spielerinnen mit der Raute auf dem Trikot. Am vorvergangenen Wochenende sicherte sich der HSV den Meistertitel in der Regionalliga Nord drei Spieltage vor Schluss. Und auch das Spiel gegen Hannover 96 war mit einem 2:1 Sieg ein Erfolg für die Hamburger:innen, die nur einmal mit großem Abstand verloren – gegen den Lokalrivalen Eimsbütteler TV.

Ohnehin ist die dritte Liga nur als Durchgangsstation für den HSV um die Führungsspielerinnen Lela Naward und Victoria Schulz gedacht. Doch der skizzierte Weg in die Zweite Bundesliga ist steinig – das erlebten Catharina Schimpf und die Mannschaft im Juni 2022, als sie 1:0 und 0:4 gegen die „Zweite“ von Turbine Potsdam spielten und den Aufstieg verpassten.

Misslich, diese Relegation. Das findet auch Schimpf. Dass der Meister nicht aufsteigt, kann keiner wollen. Doch durch die 2018 eingeführte eingleisige Zweite Liga gibt es nur drei Aufsteiger. Also muss der von Lewe Timm und Marvin Bolz trainierte HSV auch diesmal durch das Nadelöhr.

Am 11. und 18. Juni geht es höchstwahrscheinlich gegen das ambitionierte Berliner Projekt Viktoria 89 mit der früheren Nationalspielerin Ariane Hingst als Gründerin an der Spitze. Schimpf sagt: „Die Relegation ist der schwierigste Schritt in den Profifußball. Der Aufstieg in die Erste Liga ist dann weniger kompliziert.“

Auch deswegen wünscht sie sich die Doppelstaffel zurück, wie sie bis 2018 existierte, mit einer „Gruppe Nord“ und einer „Gruppe Süd“: „Wir reisen in der Zweiten Liga durch ganz Deutschland. Das funktioniert nicht. Eine zweigleisige Liga wäre besser. Es ist kein Vollzeitbusiness, viele studieren oder machen eine Ausbildung. Wir wollen größere Breite entwickeln, aber so wird Vereinen wie Henstedt oder Bramfeld die Möglichkeit genommen, Zweite Liga zu spielen.“

Die derzeitigen Spielerinnen sind Amateurinnen mit kleinen Verträgen. Das passt zu einer Liga mit Klubs wie Büppel, Barmke, Henstedt-Ulzburg

Schimpf, 31, stammt aus Rostock, hat 2008 bis 2010 für den HSV in der Bundesliga gespielt. Ein Jahr später entschied der damalige Vorsitzende Carl Jarchow, die Frauen aus Kostengründen abzumelden. 2017 schrieb Catharina Schimpf ein Konzept und stellte es beim HSV vor. Damals hatte sie die HSV-Spielerinnen vom Jahrgang 2005 trainiert und sah viel Talent. Ihnen wollte sie beim HSV eine Heimat geben.

Inzwischen hat der gesamte Fußball der Frauen Konjunktur. Die Diskussionen um den Gender Pay Gap und um Frauen in Führungspositionen sind auch dort angekommen – manchmal läuft Schimpf beim HSV offene Türen ein, wenn es um die Belange der Abteilung geht: „Wir profitieren von der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Strukturen sind besser als damals in der Bundesliga. Wir sind eng verzahnt mit dem Herren-Profibereich.“ Es sei aber „nicht selbstverständlich, dass uns e. V. und AG so unterstützen“.

Schimpf denkt sofort an Horst Hrubesch, den ehemaligen Frauen-Bundestrainer, der seit seinem Einstieg beim HSV den Frauenfußball fördert. Sie sagt: „Horst ist ein sehr wichtiger Mentor, der mir Rückenwind gibt. Er hat viel Erfahrung und ist die menschlichste Führungskraft, die ich kenne. Er ist werte­orientiert, pro Gleichstellung und gleichzeitig einer, der den Kopf hinhält. Wenn es Barrikaden gibt, geht er hin und rennt sie ein. Innerhalb des Frauen-Fußballs ist er eine starke Kraft.“ Auch AG-Vorstand Jonas Boldt weiß sie an ihrer Seite: „Er ist mein Sparringspartner.“

Die derzeitigen Spielerinnen sind Amateurinnen mit kleinen Verträgen. Das passt zu einer Liga mit Klubs wie Büppel, Barmke, Henstedt-Ulzburg. Auffallend viele Fans begleiten die HSV-Frauen, die dem Männerfußball wegen der bekannten Phänomene den Rücken gekehrt haben – auch zu Auswärtsspielen. „Die Supporter in Büppel, das war toll. Dorfverein trifft Lizenzklub. Dabei ist es uns total wichtig, dass unsere Mannschaft die Marke HSV-Frauenfußball positiv auflädt“, sagt Schimpf.

Als „unsere Grundwerte“ nennt sie „Dankbarkeit, Toleranz, Fairness“: „Das ist gelebt. Für die Fans ist das total wichtig – die wissen und schätzen, dass der Frauenfußball anders tickt. Dass wir das Ganze anders angehen als bei den Herren – unsere Frauen sind nicht Neymar. Deswegen ist Fußball der Frauen nicht besser. Er ist anders.“ Das heißt allerdings nicht, dass der HSV überall geliebt würde. „Im Jugendbereich erleben wir schon noch Negatives. Mädchen werden von Eltern der gegnerischen Teams angefeindet.“

Scouting in der Region

Catharina Schimpf erwartet, dass sich fast alle Männer-­Lizenzvereine zum Frauen-Fußball hin öffnen und in die Bundesliga streben. Sie guckt sehr genau, was die Konkurrenz dort macht. In Bremen, oder auch das etablierte, erfolgreiche Team in Wolfsburg. Aber der HSV will seinen eigenen Weg gehen. So will man beispielsweise nicht in ganz Deutschland und Europa scouten, sondern erst einmal regional bleiben.

Schimpf sagt, dass sich die Dinge für sie gut entwickelt haben: „Ich habe meine Karriere beendet, aber das habe ich für diesen Job sehr gern getan.“ Für den deutschen Frauenfußball insgesamt wünscht sie sich mehr Mut. So wie in England, wo die Women’s Football League mit dem Liga-Sponsor Barclays finanziell und strukturell in neue Dimensionen vorstößt. Da ist ihr der DFB zu schläfrig.

Für die Zukunft gibt es viele Pläne: mehr hauptamtliche Trainer, Spiele im Volksparkstadion. Allerdings noch nicht in der Relegation, da könne der Druck in der riesigen Arena zu groß werden. Es reicht ja, wenn die Profis von der Männermannschaft dort ran müssen, und die Frauen sind dann auch dabei: „Viele Spielerinnen sind auch HSV-Fans und regelmäßig da. Es gibt eine große Identifikation mit dem Verein.“

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