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Frauenbeauftragte – ein Job auf eigenes Risiko

■ Charité kündigt Frauenbeauftragter und erteilt Hausverbot / Interessenvertretung ohne Kündigungsschutz nicht möglich

Konfliktbereit, engagiert und kompetent sollen Frauenbeauftragte sein, die Interessen ihrer Klientel energisch vertreten und dem eigenen Arbeitgeber notfalls entschieden die Stirn bieten. Doch weder im Hochschul- noch im Landesgleichstellungsgesetz ist festgeschrieben, was für Personal- und Betriebsräte selbstverständlich ist: Die Kollegen sind vor Kündigungen geschützt, Frauenbeauftragte können dagegen während ihrer Amtszeit gekündigt werden.

So geschah es eben an der Charité: Die Uniklinik hatte ihrer Frauenbeauftragten Gudrun Lewin kurzfristig zum 28. Februar gekündigt und ihr außerdem sofort Hausverbot erteilt.

„Frau Lewin ist nicht in ihrer Funktion als Frauenbeauftragte gekündigt worden“, kommentiert Marlies Scheunemann, die Sprecherin der Charité. Im Rahmen der Neustrukturierung der Humboldt- Universität waren fast 600 Mitarbeitern befristete Arbeitsverträge angeboten worden. Die meisten unterschrieben mit Vorbehalt. Über ihren beruflichen Weg soll das Arbeitsgericht entscheiden.

Gudrun Lewin unterschrieb gar nicht und wurde gekündigt. „Mangelnder Bedarf“ lautete die formale Begründung. Sie selbst ist vor allem entsetzt über die Härte, mit der die Charité gegen sie vorging. „Hausverbot hat es bisher nur für die enttarnten IMs gegeben“, sagt sie. Die Charité wechselte sogar die Schlösser zu ihrem Labor aus.

Das von Gudrun Lewin angerufene Arbeitsgericht hat Ende vergangener Woche in ihrem Fall eine Einigungsformel gefunden: Die Charité verlängert den Arbeitsvertrag von Frau Lewin bis Juni. Sie soll jedoch nicht mehr an der Charité arbeiten, sondern sich mit einer Abfindungssumme eine neue Existenz aufbauen. Mit dem Ergebnis ist Gudrun Lewin zufrieden. Sie will sich jetzt ein Labor einrichten und sich selbständig machen.

Das grundsätzliche Problem ist damit jedoch nicht aus der Welt geschafft. Die Frauenbeauftragte der Humboldt-Universität, Marianne Kriszio, hat daher Kündigungsschutz für Frauenbeauftragte gefordert. „Um die Interessen der Frauen engagiert, kompetent und auch konfliktbereit zu vertreten, sollte die Frauenbeauftragte auch ein gesichertes Arbeitsverhältnis haben“, begründet Kriszio. Die Gesetzeslücke müsse geschlossen werden. Kriszio hat bereits an die weiblichen Abgeordneten im Landtag geschrieben. „Was die Notwendigkeit angeht, habe ich auch schon positive Resonanz bekommen.“

Kündigungsschutz für Frauenbeauftragte hält auch DGB-Frauensekretärin Gisela Petzold für selbstverständlich. „Wie ein Personal- oder Betriebsrat muß eine Frauenbeauftragte auch mal unbequem sein können“, so Petzold. Der DGB werde sich in Brandenburg, wo derzeit das Landesgleichstellungsgesetz diskutiert wird, für einen gesetzlich verankerten Kündigungsschutz einsetzen.

Die Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen würde eine solche Regelung auch für Berlin begrüßen. Sprecherin Bettina Martin sieht in der derzeitigen politischen Konstellation allerdings wenig Chancen für eine Neuregelung. „Bei der Novelle des LGG im letzten Jahr war das nicht verhandlungsfähig“, sagt sie. „Wir waren schon froh, daß LGG überhaupt in der jetzigen Form gerettet zu haben.“Corinna Raupach

Das Maß ist voll

Ihre Unterstützung für die heutigen Aktionen zum Frauenstreiktag hat Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD) bekräftigt: „Für die Frauen ist das Maß schon lange voll.“ Sie wollten nicht mehr hinnehmen, „daß es mit der Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft rückwärts geht, daß die Lasten der Krise vor allem auf ihren Schultern abgeladen werden“. Hinzu komme eine wachsende Frauenfeindlichkeit und die zunehmende Gewalt gegen Frauen. ADN

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