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Frauen ohne Männerblicke

■ Frauenhalle auf dem Turnfest wurde geteilt / Geteilte Meinungen darüber bei den Beteiligten Von Turnfestkorrespondentin Kaija Kutter

Messehalle 1 auf dem Turnfest. Oben, im „Seniorenbereich“, erschlägt den Besucher der Anblick von Abertausenden von Wimpeln und Bannern und Fahnen, ordentlich nach Bundesländern sortiert. Direkt daneben die Darbietungsfläche. „Bühne frei, die Männer kommen“, heißt der Programmplan für Mittwoch. Männer machen Gymnastik, Männer machen Stocktanz.

Heute ist Donnerstag und die Damen zwischen 40 und 60 sind dran. Ein Drittel in Blau, ein Drittel in Türkis, ein Drittel in Turnfestlila. Gedanken beim Anblick der Frauenkörper. Die Kostümierung sieht selbstgenäht aus. Manche haben ziemlich große Brüste, alle sehen glücklich aus, bewegen sich synchron. Applaus am Schluß von den Tribünen, die Damen in Türkis nehmen ihre Röcke ab, halten sie wie Torrero-Fahnen triumphierend in die Luft - darunter werden verschieden ausgeprägte Frauenbäuche sichtbar.

Frauenbewegung unter Männerblicken, es geht, es macht Spaß, die ältere Generation hat keine Probleme damit. Oder doch. Ein Stockwerk tiefer eine Fotowand zur Geschichte der Frauen auf den Turnfesten 1898, 1953 und 1994. Vor hundert Jahren zählte zur Turnkluft noch das Korsett. 7 Kilo Klamotten mußten die ersten Turnerinnen mit sich tragen. Heute zeigen millimeterdünne Anzüge gnadenlos jede Speckfalte. Halt stop! Wieso „gnadenlos“? taz-Turnfest-Korrespondentin mit Macho-Blick. Im Grunde ist sie neidisch auf die vielen sich bewegenden Körper. Frauen, die sich aus dem Stegreif auf die Tanzfläche trauen und zur rhythmischen Trommelmusik bunte Schleifenbänder schwingen.

Wir befinden uns in der Frauenhalle, der ersten, die ein Deutsches Turnfest je hatte. Sie ist klein und das gelbe Logo einer Saftfirma, die zu den Sponsoren zählt, dominiert die Optik diesseits der Trennwand, die diagonal durch die Halle gezogen wurde. Hier dürfen auch Männer vorbeischlendern, dahinter ist „only for women“. Ein Kompromiß, wie Mitorganisatorin Gerlinde Reeke berichtet. Eine Gruppe von Hamburger Sportlerinnen hatte sich zu Beginn der Vorbereitungen vor drei Jahren schon frühzeitig für einen Frauenbereich eingesetzt. Nach zähen Verhandlungen mit den „traditionellen“ Frauen im Deutschen Turnverband kam diese Lösung zustande. Hinter der Trennwand liegt ein Cafe, ein Ruheraum mit Liegestühlen, ein Info-Tisch von Hamburger Frauenprojekten und eine große Aktionsfläche für Flamenco, Partnerinnenakrobatik, Stockkampf und anderes „only for women“.

„Hier ist der einzige Ort, wo es ruhig ist“, steht an der Beurteilungs-wand im Cafe. Auch seien die Getränke schön billig. Aber auch: „Daß hier keine Männer reindürfen, finde ich diskriminierend“. Es wäre so, als wenn Ausländer nicht hinein dürften.

Und noch ein Novum für die Turnfans der Republik. Heute abend im Saal 3 des CCH heißt es „Frauen feiern fröhlich Feste“ ohne Männer - die Organisatorinnen rechnen mit dem Verkauf von 1000 Karten. Ein vergleichbares Fest zum Ende der „2. Mädchen- und Frauensportwoche“ hatte in Hamburg einen Eklat zur Folge. „Wir können es uns nicht leisten, uns mit Lesben zu behängen“, hatte der Hamburger Sportchef Friedel Gütt hernach gemeint, weil es dort „kopulierende lesbische Pärchen“ gegeben hätte. Ein Kapitel Hamburger Sportgeschichte, an das die frauenpolitisch engagierten Hamburger Sportlerinnen ungern zurückdenken.

Die Mann-Frau-Machtverhältnisse im Sport sind immer noch schauerlich. 70 Prozent der Turnerinnen im Deutschen Verband sind Frauen. Sie stellen aber nur 18 Prozent der Funktionärsriege. So steht es auf dem Fußboden der Frauenhalle, über den die turnfestbegeisterte Menge schlendert. Eine Bewußtseinsinsel, ein Farbfleck, den die Masse der Besucher mit Leich-tigkeit absorbiert.

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