Nachgefragt: „Frauen ansprechen“
■ Kommt jetzt eine feministische Partei?
Aus den zahlreichen Frauenstreikkomitees, die sich zum 8. März 1994 gebildet hatten, ist bei einem Treffen am vergangenen Wochenende in Kassel ein „Bundesweites Feministisches Bündnis“ hervorgegangen. Beim selben Treffen formierte sich eine Initiative „Feministische Partei – Die Frauen“. Wer und was dahintersteckt, beantwortet die Bremerin Charlotte Rieger, die die bundesweite Koordination für das Bündnis übernommen hat.
taz: Feministische Politik-Organisationen – interessiert das viele Frauen?
Charlotte Rieger: In Kassel waren rund 40 Frauen aus dem ganzen Bundesgebiet. Frauen, die in Gewerkschaften arbeiten, Parteifrauen, autonome Frauen, also solche, die Gruppen im Hintergrund haben, aber auch Einzelfrauen. Zum nächsten Treffen am 22./23. April wollen wir mit dem Bündnis möglichst viele Frauen ansprechen.
Am 22. April ist der 8. März schon vorbei.
Ja, aber wir werden uns nicht nur für den 8. März zusammentun. In der Info-Zeitung zu diesem Termin wird ein Aufruf sein, der die Parteigründung für die „Feministische Partei – Die Frauen“ bekanntgibt. Außerdem wollen wir unsere Vorstellungen über Aktionen präsentieren, die bundesweit und unabhängig vom 8. März laufen sollen. Allerdings sollen die Aktionen vowiegend von der Basis bestimmt werden, das Bündnis schafft nur das Informations- und Kordinationsnetz.
Die Reaktionen der Basis auf die bisherigen Aktivitäten am 8. März waren eher lau.
Ja.
Es ist ja auch eher putzig, wenn Frauen dazu aufrufen, sich am 8.3. dem Chef gegenüber im Kaffeekochen zu verweigern. Wenn das der Feminismus sein soll...
Richtig, aber auf den Streik konnten sich die Frauen nicht einigen, so wurde daraus ein Protesttag mit vielen Aktionen. Und über die hat oftmals die Presse nicht umfassend oder aus einem männlichen Blickwinkel heraus berichtet.
Was heißt Feminismus für die Frauen des Bündnisses?
Wir wollen bestimmte Dinge offensiver einfordern: Existenzsicherung für Frauen, Aufhebung der Steuer- und Rentendiskriminierung, daß alle kollektiven Lebensformen gleichberechtigt sein sollen, und daß wir zu einem veränderten Wirtschaftssystem kommen müssen, wo besonders ökologische Belange wesentlich stärker berücksichtigt werden. Sowohl die Bündnis- als auch die Parteifrauen müssen das für sich konkretisieren.
Welche Frauen stehen hinter dem Bündnis und der Partei?
Für die Parteigründung sind das Oesterle-Schwerin, Angela Helfer, und fürs Bündnis Carola Möller, etliche Frauen aus dem Unabhängigen Frauenverband und andere.
Wie wurde die Parteiinitiative begründet?
Frauenbelange gehen oft in den Parteistrukturen unter. Beim § 218 ist beispielsweise kein Konsens unter den Frauen zu schaffen, eine starke Aufsplittung findet entlang der parteipolitischen Linien statt. Es geht darum, daß Frauen aus ihrer Perspektive sagen, wir wollen das und das verändern ohne irgendwelchen Parteilinien verbundnen zu sein. Die Parteigründerinnen sagen: Wir sind es leid, alle Energien darein zu stecken, die Widerstände innerhalb so einer Gruppierung zu überwinden. Wir wollen stattdessen konstruktiv arbeiten.
Die Gründung einer Frauenpartei ist mehrfach gescheitert. Was unterscheidet diese Initiative von anderen?
Die bisherigen Versuche hatten keine grundsätzliche Kritik am System, sondern waren am bestehenden System orientiert.
Jüngere Frauen werden Bündnis und Parteigründung wahrscheinlich belächeln. Ist das Treffen in Kassel eins der älteren Frauen?
Nein, das Alter ging von Anfang 20 bis weit in die 60 hinein.
Wieviele Teilnehmerinnen waren auf Seite der Parteigründerinnen?
Etwa zwei Drittel.
Wieviel Bremerinnen waren in Kassel, und stehen die der Parteigründung nahe?
Es waren zwei Frauen in Kassel, die sind eher bündnisbezogen. Fragen: Dora Hartmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen