: Frauen-Wagenburg verhindert
■ Neues Rollheimerdorf in Prenzlauer Berg wurde geräumt
Nach anderthalbjährigem Kampf mit der Bürokratie um den Stellplatz für eine Wagenburg in Prenzlauer Berg ergriffen am Samstag Frauen die Initiative: Die „Frauen/Lesben-Wagenburg“ besetzte mit sechs Bauwagen einen Teil des Schweizer Gartens an der Greifswalder Straße. Diese Aktion wurde polizeilich unterbunden, die Wohnwagen wurden noch am Abend auf das Polizeiliche Sicherstellungsgelände in Weißensee geschleppt und die Personalien der Frauen festgestellt.
Seit dem Frühjahr 1995 bemüht sich eine Gruppe bei verschiedenen Stellen des Bezirks um einen Platz für ihr Projekt, das konzeptionell über eine simple Wagenburg hinausgeht. Im Mai 1995 faßte die Bezirksverordnetenversammlung Prenzlauer Berg einen Beschluß, der das Bezirksamt beauftragte, für die Gruppe ein geeignetes Gelände zu finden. Die Betroffenenvertretung Bötzowviertel schlug den Schweizer Garten vor. Das schleppende Verfahren wollte die Gruppe mit der Besetzung am Samstag beschleunigen.
Bereits kurz nachdem die Wagen auf dem Gelände waren, trat die Polizei in Aktion. Auch die Intervention des von den Frauen herbeigerufenen Jugendstadtrats Burkhard Kleinert (PDS) fruchtete nichts. Seine im Namen des Bezirksamts ausgesprochene Duldung der Platzbesetzung bis zur Bezirksamtssitzung am kommenden Dienstag wurde vom Einsatzleiter nach Rücksprache mit dem Leiter der Polizeidirektion7, Buchholz, mit der Bemerkung abgewiesen: „Sie sind erst am Montag ab Dienstbeginn wieder berechtigt, Duldungen auszusprechen.“ Auch wenn „der Bürgermeister käme, wir würden räumen“, erklärte der leitende Polizeibeamte mit der Nummer 22411 den Besetzerinnen und war sich gegenüber Stadtrat Kleinert außerdem sicher, die politische Verantwortung für diese Räumung gegen den Willen des Bezirkes übernehmen zu können. Kleinert kommentierte dies mit den Sätzen: „Am Wochenende hat die Demokratie Pause. Am Wochenende herrscht der Innensenator.“ Dies sei offenbar die Art, wie der Senat „einem PDS-Stadtrat Demokratie beibringen will“.
In einer gestrigen Pressemitteilung verteidigte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky die Räumung mit einem Senatsbeschluß. Danach könne die Neuerrichtung von Wagenburgen auf Geländen mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen nicht geduldet werden. Ähnlich wie bei Neubesetzungen von Häusern werde die Polizei bei neuen Wagenburgen „konsequent vorgehen“. Das Engagement des Bezirkes und die Intervention von Kleinert werden in der Pressemitteilung ignoriert. Dort hieß es, ein Vertreter des Bezirksamts sei bis zu einer von der Polizei festgelegten Uhrzeit nicht erschienen.
Der rechtspolitische Sprecher der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Michael Nelken, nannte es ein „Ding der Unmöglichkeit, daß die Polizei Bezirkspolitik macht“. Wolfram Kempe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen