die taz und ihr image bei den lesern : Frau Schwab ist sauer
Dieser Text handelt von Imageproblemen. Warum? Weil die taz eins hat. Vor allem in Berlin, sagen die Analysten. Damit haben vor allem wir von der Berlinredaktion eins. Denn egal, wo wir hingehen, wir sind die taz.
Davon kann ich ein Lied singen. „Ah, von der taz bis du? Euch les ich schon lange nicht mehr. Ihr seid mir zu mainstreamig.“ Welcher Mainstream, frage ich. „Ihr seid zu grün“, kommt als Antwort. Oder: „Ihr seid rechts.“ Oder: „Ihr seid nicht objektiv.“ Oder: „Ihr habt kein Rückgrat.“ Oder: „Ihr habt den Zug der Zeit verpasst.“ Oder: „Ihr seid frauenfeindlich.“ Oder: „Ihr schreibt wenig über Autos.“ Oder: „Ich hör lieber Radio.“ Der letzte Satz ist mir der liebste. Da muss ich nicht nach dem „ihr“ fragen. Alle anderen antworten auf die Frage, wen sie meinen: „Na euch, die taz.“
Also mich.
Ich weiß nicht, wie jemand damit umgeht, dass er plötzlich ein Imageproblem hat, weil er etwa bei Schering im Wedding jobbt oder bei Kühne-Senf in Reinickendorf. Stellen Sie sich das mal vor: Sie arbeiten bei Schering, treffen eine alte Freundin. Die sagt: „Euch boykottier ich seit zehn Jahren, weil ihr die Pille für den Mann noch nicht auf den Markt gebracht habt.“
Oder Sie sind der Senf-Auslieferer, der froh ist, dass er in Berlin noch einen Job hat. Eines Tages treffen Sie die Nachbarin Ihrer Mutter, bei der Sie als Kind Schmalzstulle bekommen haben. Jetzt schwärmt die Ihnen von Hengstenberg-Mostrich vor. „Eurer Senf ist nicht scharf genug.“ Weil Sie wissen, dass das Ihren Job kosten kann, denn Hengstenberg sitzt woanders, erinnern Sie sich an Ihre Wurzeln. „Hör ma Hilde, ick jeb da ma unsre Heulerschmiere, da leckste mir nachher die Füße.“
Im Gegensatz zu den Scherings und Kühnes ist mein Imageproblem echt: Ich-die-taz mach es den BerlinerInnen nicht recht. Vor zehn Jahren haben sie mich-die-taz zum letzten Mal gelesen. Seither wissen sie, dass ich stehen geblieben bin. Gut, es kommt mir zugute, dass ich jünger aussehe, als ich bin, aber daraus auf meine Entwicklung zu schließen, ist eine Frechheit.
Schlimm sind die Leute, mit denen ich früher zusammen auf Demos oder sonst wo die Welt verändern wollte. Was machst du, frag ich, wenn ich welche treffe. „Ich bin jetzt Lehrerin“, antworten sie. Wie ist es an der Schule? „Schwierig.“ Warum? „Die Disziplin ist hin.“ Da schweigen wir einen Moment, wegen der Disziplin. Danach fragen sie: „Was machst du?“ Ich bin bei der taz. „Ah, euch lese ich nicht mehr, ihr seid mir nicht links genug.“
Am schlimmsten aber sind die, die plötzlich anrufen, weil sie jetzt in Medienagentur machen. „Sag mal, wir kennen uns doch von früher. Kannst du nicht was über unser Jubiläumsparty-Eröffnungsevent machen.“ Bevor ich mich einlasse, frage ich: Seit wann liest du die taz nicht mehr? „Im Café les ich euch manchmal. Du schreibst ja ganz originell.“ „Danke“, antworte ich dann, „ich frag ’ne Praktikantin, ob sie Lust auf das Thema hat.“ Ich gebe unumwunden zu: Das ist meine Revanche. WALTRAUD SCHWAB