Frankreichs Pendant zu #MeToo: Klage gegen Hashtag-Begründerin
Sandra Muller hatte #BalanceTonPorc mitbegründet – zu deutsch etwa „Prangere dein Schwein an“. Nun wehrt sich ein Angeprangerter vor Gericht.
Muller hatte Brion Mitte Oktober online beschuldigt, sie in sexuell herabwürdigender oder eben „schweinischer“ Weise beschimpft zu haben. Nun verlangt er 50.000 Euro Schadenersatz sowie eine Veröffentlichung des Gerichtsentscheids als „Richtigstellung“.
Für Muller kommt das wohl überraschend: In einer ersten Stellungnahme in der französischen Tageszeitung Le Monde hatte sich Brion immerhin bei ihr entschuldigt, auch wenn er den Vorfall zu relativieren versuchte: Er habe ein einziges Mal, nach viel Alkohol bei einem Cocktail, gegenüber der Journalistin eine „deplatzierte Bemerkung“ gemacht. Er wollte das aber „nuanciert“ wissen, denn er verwehre sich gegen ein „Amalgam zwischen seinem Verhalten und der Affäre Weinstein“.
Nun soll also ein Pariser Gericht darüber entscheiden, ob die Veröffentlichung durch Muller zu Unrecht geschah. Die RichterInnen müssen sich zur Frage äußern, wie gravierend der Vorfall und wie legitim umgekehrt die öffentliche Anprangerung im Internet war. Der Prozess, dessen Termin noch nicht bekannt ist, wird so zu einem Präzedenzfall.
Ausgezeichnet
Die Verhandlung dürfte gespannt verfolgt werden: Immerhin hat Muller als Initiatorin der französischen Twitter-Kampagne eine gewisse Prominenz. Sie wurde Ende 2017 vom amerikanischen Magazin Time zu den Persönlichkeiten des Jahres gezählt, die mit der Enthüllung von sexuellen Aggressionen in der Film- und Medienwelt das „Schweigen gebrochen“ hatten.
Im Zusammenhang mit #BalanceTonPorc stehen bereits weitere Verhandlungen an: Auch der sozialistische Exminister und Exvorsitzende des französischen Verfassungsgerichts Pierre Joxe hat eine Verleumdungsklage eingereicht. Die Schriftstellerin Alexandra Fornia hatte den 82-Jährigen online beschuldigt, sie während einer Aufführung in der Pariser Oper begrapscht zu haben. Sie habe seine Hand mehrmals deutlich von ihrem Schenkel wegstoßen und schließlich zur Abwehr ihre Fingernägel in die Hand krallen müssen.
Der Politiker weist die Vorwürfe als „groteskes Lügengewebe“ zurück. Nachdem er Fornia die Chance gegeben habe, sich bei ihm öffentlich zu entschuldigen, reiche er nun Klage ein, um seine „Ehre wiederherzustellen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?