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Frankreich trauert mit Carpentras

10.000 bei Gedenkveranstaltung auf dem geschändeten Friedhof der jüdischen Gemeinde / Morgen Schweigemarsch in Paris / Grabschändungen aus dem israelischen Haifa gemeldet  ■  Aus Paris Alexander Smoltzyk

„Dies ist ein historischer Tag. Wir müssen alles dafür tun, daß Carpentras die Zeit in ein Vorher und Nachher einteilt.“ Die Hoffnung des französischen Großrabbiners Joseph Sitruk, die er gestern mittag auf dem verwüsteten jüdischen Friedhof von Carpentras äußerte, hat alle Aussicht, sich zu bewahrheiten. Seit den antisemitischen Bomben-Attentaten der frühen achtziger Jahre ist es in Frankreich nicht mehr zu einer derart breiten und unbedingten Solidarisierung des Landes mit seiner jüdischen Gemeinde gekommen. Keine Zeitung, die dem Verbrechen nicht die Titelseite gewidmet hat, keine Glaubensrichtung, die nicht unmißverständlich ihr Mitgefühl gezeigt hätte. Die Stadt Paris untersagte alle monarchistischen und rechtsextremen Kundgebungen, die für den gestrigen „Tag der Jeanne d'Arc“ angemeldet waren. In der 20.000-Einwohner-Stadt Carpentras schlossen während der Versammlung alle Geschäfte, der Verkehr ruhte für eine Viertelstunde. Unter den etwa 10.000 Menschen, die sich der Trauer der jüdischen Gemeinde von Carpentras angeschlossen hatten, waren führende Vertreter der großen Parteien. Die zwei anwesenden Regionalräte der „Front National“ wurden von jungen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde des Friedhofs verwiesen. In seiner Ansprache hatte der Großrabbiner die Revisionisten des Holocaust und - indirekt - die „Front National“ für die Friedhofsschändung mitverantwortlich gemacht. Die 30 ermittelnden Polizeibeamten haben ihre Nachforschungen bislang auf die örtlichen Skinhead- und Neonazi-Grüppchen konzentriert. Doch alle vorläufig festgenommenen Personen wurden wieder freigelassen. Die Behörden schließen aus, daß es sich um eine spontane Tat gehandelt haben könnte. Ihr Verdacht richtet sich jetzt besonders auf überregional operierende Neonazi -Organisationen. Für heute abend haben Bürgerrechts- und Glaubensorganisationen, Sozialisten, Kommunisten und Neogaullisten zu einem Schweigemarsch in Paris aufgerufen.

Schändungen in Israel

Haifa (ap) - In der nordisraelischen Hafenstadt Haifa sind auf zwei Friedhöfen rund 250 jüdische Gräber geschändet worden. „Araber werden Juden vernichten“ oder „Mubarak wird die Juden töten“ wurde auf die Grabsteine geschmiert. Der israelische Polizeichef Jaacow Turner sagte, über die Identität möglicher Täter bestünden noch keine Anhaltspunkte. Es gäbe allerdings keine arabischen Schriftzeichen, alle Parolen seien in fehlerfreiem Hebräisch geschrieben. Sowohl jüdische als auch arabische Politiker Haifas verurteilten die Tat. Etwa ein Zehntel der 220.000 EinwohnerInnen Haifas sind Araber. Gastkommentar auf Seite 4

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