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Frankreich entschädigt Aids-Opfer

■ Die Regierung in Paris richtet Sonderfonds für Transfusionsopfer ein, die mit der Immunschwächekrankheit infiziert worden sind/ 7.000 HIV-Infizierte

Paris (afp/taz) — Die französische Regierung hat am Mittwoch die Schaffung eines Sonderfonds zur Entschädigung der Tausenden von Franzosen beschlossen, die bei Bluttransfusionen mit der Immunschwächekrankheit infiziert worden sind. Dieser Fonds soll „im wesentlichen“ durch Steuern auf Sachschadenversicherungen finanziert werden, teilte Regierungssprecher Jack Lang nach der wöchentlichen Kabinettssitzung mit. Über die Höhe der Sonderabgabe machte Lang zunächst keine näheren Angaben. Er schloß einen „Beitrag aus dem Staatshaushalt“ nicht aus.

Der Gesetzentwurf, der noch im Dezember dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden soll, sieht vor, daß außer den „vor dem 31. Dezember 1989“ bei Blutübertragungen mit dem HI-Virus angesteckten Opfern auch deren Angehörige und andere Anspruchsberechtigte die Entschädigungszahlungen beantragen können. Sie seien „Ausdruck einer breiten nationalen Solidarität, das dem Ausmaß der Tragödie“ entspreche, wie Staatspräsident Fran¿ois Mitterrand dies öffentlich gefordert habe, betonte Lang.

Nach französischen Zeitungsberichten vom Mittwoch dürfte die heftig umstrittene Versicherungsabgabe zwischen drei und vier Milliarden Francs (900 Millionen bis 1,2 Milliarden Mark) einbringen, wenn man von einer Verteuerung der Verträge um durchschnittlich 100 Francs (30 Mark) ausgeht. Die fälligen Entschädigungszahlungen für die schätzungsweise rund 7.000 von dem Skandal um die Massenübertragung von Aids betroffenen Personen veranschlagen Experten jedoch auf zehn bis fünfzehn Milliarden Francs (3 bis 4,5 Milliarden Mark).

Gegen mehrere ehemalige hohe Verantwortliche des Gesundheitswesens der letzten zehn Jahre ermittelt die Justiz seit der Aufdeckung des Skandals im Oktober. Ihnen wird vorgeworfen, Blutkonserven und ein Blutgerinnungspräparat für Hämophile nicht rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen zu haben, obwohl sie gewußt hätten, daß sie mit Aids-Viren verseucht waren.

Bereits vor vier Wochen hatte 'Le Monde‘ gemeldet, daß in Frankreich bis 1989 460.000 Menschen durch Bluttransfusionen an verschiedenen Virusinfektionen erkrankt sind (siehe taz vom 25. Oktober). Ein Großteil der Infizierten wissen noch nicht einmal, daß ihnen während einer Operation — zum Teil verseuchte — Blutkonserven verabreicht wurden. In der Bundesrepublik sollen Pharma-Unternehmen und Ärzte von 1982 bis 1985 verseuchte Blutpräparate verteilt und verabreicht haben (siehe taz vom 22. November). baep

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