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Frankfurter Ökobank in Sektlaune: Erste Filiale und glänzende Bilanz

In Freiburg öffnete die erste Ökobank-Niederlassung ihre Schalter/ Weitere Filialen bereits geplant  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Freiburg (taz) — Vor knapp 145 Jahren wurde die Stadt Freiburg im Breisgau schon einmal auf Befehl einer in der Mainmetropole Frankfurt etablierten Organisation okkupiert. Im Revolutionsjahr 1848 besetzten sogenannte Bundestruppen mit dem Einverständnis der Frankfurter Nationalversammlung das nach einem republikanischen Aufstand autonom gewordene Schwarzwaldstädtchen.

Am vergangenen Sonnabend überschüttete eine andere, inzwischen etablierte Frankfurter Organisation die lieben FreiburgerInnen mit Winzersekt. Die alternative Ökobank eröffnete in der heimlichen Hauptstadt der Ökologiebewegung ihre erste Filiale. Die neuen Okkupanten kamen mit einem riesigen Schlüssel aus Vollkornteig und mit dem „AKT“ — dem automatischen Kassentresor. Die Nachfahren der Republikaner von 1848, etwa das nach dem Bauernführer Joss Fritz benannte Buchladen-Kollektiv, wünschten dem neuen Unternehmen im grün-alternativen Stadtviertel Stühlinger „Glück und Segen“. Scharen zukünftiger KundInnen drängten sich in die grün-weiß getünchten Räumlichkeiten hinter dem Hauptbahnhof — bei einer Tombola war schließlich ein Rennrad in den Ökobank-Farben zu gewinnen. Auch in den hypermodernen, raubresistenten AKT wollten sie noch schnell einen Blick werfen, bevor das Filialleiterduo Michael Hümmler (28) und Andreas „Opi“ Obergfäll (30) die Stahltür ins Schloß fallen ließ. Ab heute spuckt der AKT auf ein Password hin nur Beträge bis zu einer geheimgehaltenen Obergrenze aus — auf Wunsch aber mehrmals hintereinander.

Doch „time is money“, auch für den Bankräuber, meinte der Ökobank-Vorständler Gerd Rump lapidar. Und was ist schon die Beraubung einer Bank gegen die Gründung einer Bankfiliale? Die Frankfurter Ökobanker Gerd Rump und Oliver Förster waren jedenfalls „rundum zufrieden“ mit ihrer bundesweit ersten Niederlassung. Etwa 200.000 Mark hat die auf Ökologie-Projekte spezialisierte Genossenschaftsbank in Freiburg investiert. Bereits in zwei Jahren soll die Zweigstelle schwarze Zahlen schreiben. Schließlich, so Rump, sei das ökonomische Potential der Stadt und ihres Einzugsgebietes mehr als attraktiv. Freiburg, da ist sich der Bank-Vorstand sicher, sei das „ökologische Zentrum der Bundesrepublik und damit gewissermaßen der Ökobank „verwandtschaftlich verbunden“. Eine agile Regionalgruppe hat in der Stadt den Boden für die Filialgründung bereitet: Auf etwa 1.000 Kundinnen und Kunden mit einer Beteiligung von rund einer halben Million Mark am Geschäftsguthaben und mit Einlagen in Höhe von fast vier Millionen Mark kann die Ökobank zurückgreifen. Die Regionalgruppe hat auch dafür gesorgt, daß rechtzeitig zur Filialeröffnung der nach den Richtlinien der Ökobank unumgängliche Beirat bereits arbeitet. Der Beirat entscheidet mit bei der Vergabe von Förderkrediten an Projekte in der Region. Aufgrund der dünnen Personaldecke wird die Filiale jedoch nur halbtags die Schalter öffnen können.

Jutta Gelbrich, Marketing- und Pressereferentin der Bank, legte zwischen Sekt und Ökobrötchen allerdings Wert auf die Feststellung, daß die Freiburger Filiale all die Dienstleistungen und Anlagemöglichkeiten anbiete, die auch das Stammhaus offeriere. Die Filiale ist „on line“ mit dem Frankfurter Rechenzentrum verbunden, so daß die Führung der Girokonten und der Zahlungsverkehr zeitnah abgewickelt werden könnten. Auf der Pressekonferenz erklärte Gelbrich 1992 zum „Jahr der Regionalisierung“: So habe die Ökobank als Vorstufe zu neuen Filialgründungen in Berlin, Düsseldorf, München und Nürnberg sogenannte Agenturen eingerichtet, deren MitarbeiterInnen ihr Engagement mit einer „Basisprovision“ vergütet bekommen. Zum Jahresschluß 1991 habe das Einlagevolumen im Einzugsgebiet dieser Agenturen bereits 29,2 Millionen Mark betragen — das sind 21,3 Prozent der gesamten Einlagen.

Aufgrund dieser Aktivitäten — und trotz der Investitionen für die Freiburger Filiale — erwartet Vorstandsmitglied Oliver Förster für den Jahresabschluß 1991 erstmals in der Geschichte der Bank die „schwarze Null“ in der Bilanz. Förster: „Die Ökobank kann im vierten Jahr ihrer Geschäftstätigkeit auf ihr bisher bestes Ergebnis zurückblicken.“ Die Zahlen geben ihm recht: Die Bilanzsumme stieg um 43 Prozent auf knapp 140 Millionen Mark, das Kreditgeschäft um 42 Prozent auf 42 Millionen. Das Geschäftsguthaben wuchs, wenn auch nur leicht, auf 11 Millionen Mark an. Auf 30.000 KundInnen mit knapp 55.000 Konten kann die Bank inzwischen zählen. Dennoch mangelt es der Ökobank nach wie vor an Eigenkapital, vor allem im Hinblick auf die neuen EG- Eigenkapitalrichtlinien. Die Ökobank wird deshalb ab Mitte '92 ein „verzinsliches eigenkapitalergänzendes Produkt“ anbieten. Wie dieses Produkt letztendlich aussehen soll, wird intern noch beraten. Mit Aktien an die Börse werde man allerdings nicht gehen, erklärte Förster. Auch im Fondsgeschäft will die Ökobank demnächst mitmischen. Zusammen mit der Versico GmbH hat die Ökobank eine Fondsgesellschaft gegründet, die Investiko GmbH in Düsseldorf. „Die Geschäftsleitung ist derzeit mit Vertretern von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen im Gespräch“, so Förster, „um mit Beginn des Vertriebs dem Fonds einen kompetenten Anlageausschuß präsentieren zu können.“ Seit Beginn dieses Jahres ist die Ökobank, allerdings zunächst auf drei Jahre befristet, in den Verband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken aufgenommen, der die Einlange absichert.

Auf dem Einweihungsfest präsentierten sich die ÖkobankerInnen erst einmal ihren künftigen KundInnen. Und zumindest ein Frankfurter Ökobanker wußte bereits einen weiteren Vorteil, den die neue Filiale bietet, zu nutzen: „Ich fahr' mal schnell rüber in das Elsaß und gehe etwas Gutes essen.“

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