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Frankens Dreckschleuder ohne Filter

■ Braunkohlekraftwerk Arzberg erneut ohne Rauchgasreinigungsanlage / Ab 1. Juli Verordnung für Großfeuerungsanlagen mit verschärften Grenzwerten / SPD wehrt sich gegen endgültiges Aus / Keine Umstellung a

Frankens Dreckschleuder ohne Filter

Braunkohlekraftwerk Arzberg erneut ohne

Rauchgasreinigungsanlage / Ab 1. Juli Verordnung für

Großfeuerungsanlagen

mit verschärften Grenzwerten / SPD wehrt sich gegen

endgültiges Aus / Keine Umstellung auf Gasbetrieb

Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Das „sauberste Braunkohlekraftwerk der Welt“ (Eigenwerbung) stinkt wieder zum Himmel. Seit nunmehr zwei Wochen ist die Rauchgasreinigungsanlage im Kraftwerk Arzberg in Oberfranken abgeschaltet. Das Kraftwerk der Energieversorgung Oberfranken (EVO), mehrheitlich im Besitz der Bayern-Werke AG, arbeitet jedoch im Normalbetrieb weiter. Normalbetrieb ohne Rauchgasentschwefelung bedeutet im Fall Arzberg einen monatlichen Ausstoß von 1.000 Tonnen Schwefeldioxid und 300 Tonnen Stickoxiden. Die erst vor einem Jahr in Betrieb gegangene 130 Millionen DM teure Rauchgasreinigungsanlage sollte den Ausstoß von Schwefeldioxid um 95 Prozent und von Stickoxiden um 70Prozent reduzieren.

Doch bereits zehn Wochen nach Inbetriebnahme fiel die als „Europas erste simultane Rauchgasreinigungsanlage“ gefeierte Anlage zum ersten Mal wegen Schwierigkeiten beim Aktivkoksdurchlauf aus. Zehn Wochen lang lief das Kraftwerk trotzdem auf Hochtouren ohne Rauchgasreinigung weiter. Die Reparaturen der Anlage zogen sich bis zum März dieses Jahres hin und kosteten mehr als zehn Millionen DM.

Jetzt wird das Kraftwerk am 1. Juli zur „turnusmäßigen Revision“, so EVO-Prokurist Heribert Dirks, abgeschaltet. Genau am 1. Juli tritt aber auch die für Arzberg gültige Verordnung für Großfeuerungsanlagen mit verschärften Grenzwerten in Kraft. Bei derzeit defekter Anlage werden diese Grenzwerte um das fast Vierfache überschritten. Nach dem 1. Juli wäre deswegen eine Stillegung von Arzberg die notwendige Folge.

Diesen Gedanken weist die EVO weit von sich. Prokurist Dirks spricht von „mechanischen Problemen“, die in den Griff zu bekommen sind. Er hält das Gerede um die endgültige Stillegung für „künstliche Aufregung ohne realistischen Hintergrund“.

Auch die oberfränkischen SPD-Landtagsabgeordneten wehren sich gegen das Aus für Arzberg. Sie verweisen auf die Bedeutung des Kraftwerks für die regionale Energieversorgung in Nordostbayern und die 220 Arbeitsplätze. Es sei „geradezu ein Witz, daß die im Vergleich zur Kernkrafttechnologie einfache Entschwefelungstechnologie offensichtlich nicht zu bewältigen sei“. Für die von SPD und Umweltschutzinitiativen geforderte Umstellung des Kraftwerks auf Gasbetrieb sieht die Betreibergesellschaft wie schon Ende letzten Jahres keine Veranlassung. Angesichts langfristiger Lieferverträge für Kohle sei der Gasbetrieb „nachrangig“.

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