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■ KommentarFragwürdiger Erfolg

Die Zeisehalle muß nicht mehr ums Inventar fürchten, die Vorführung des Films Beruf Neonazi am Sonntag morgen ist abgesagt. Das Zeise-Kino braucht sich um die Kopie keine Sorgen mehr zu machen: Was nicht gezeigt wird, wird auch nicht – wie angedroht – gestohlen. Das „Eisenstein“ kann in Ruhe den Brunch servieren, die Buchhandlung Nautilus kann ihre Wandzeitung, die die aufrichtigen Gründe der Buchhändler für die Verweigerung aufzeigte, wieder aus dem Fenster nehmen.

„Die braune Propaganda kennen wir“, sagen die einen, „die brauchen wir uns nicht noch unkommentiert in einem Film anzusehen.“ „Der Schrecken muß gezeigt werden“, sagen die anderen, die dem Dokumentarfilm Beruf Neonazi von Winfried Bonengel eine Schockwirkung unterstellen, deren Kraßheit heilsame Wirkung haben könnte. Und dazwischen hält sich die Meinung, das Werk sei mißraten. Diese Haltungen trennt eine Grenze, die sich ebenso kreuz und quer durch die Filmszene wie durch die jüdischen Verbände in Deutschland zieht.

Für Überlebende des Holocaust sind die Lügen und Beleidigungen des Neonazis Ewald Althans eine Zumutung. Aber was ist mit den anderen Stimmen von Betroffenen, die den Film bereits gesehen haben (!) und ihn gezeigt wissen wollen, weil sie glauben, daß die Welt in voller Breite der Infamie dieser Lügen und Beleidigungen ausgesetzt werden muß, damit die Gefahr, die von der geschniegelten rechtsradikalen Menschenverachtung ausgeht, als so gefährlich gezeigt wird, wie sie ist?

Allein auf Anpfiff des „Spiegel“ begann die öffentliche Diskussion um den Film, die ihn nun – in Hamburg – der Öffentlichkeit entzogen hat. Welch' ein Erfolg gegen rechts! Gleichzeitig läuft „Chucky III“ im TV, der den beiden Jungen in Liverpool das Drehbuch für ihren Kindermord lieferte, und unbehelligt nutzen Neonazis die Einrichtungen der Telekom...

Julia Kossmann

Siehe Seite 35

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