Fragen an Spahn und Scheuer: Ministergrillen fällt aus
Die jüngste Regierungsbefragung im Bundestag zeigt, wie schwer es die Opposition gerade hat – auch weil die Regierung wenig Angriffsfläche bietet.
BERLIN taz | Für die Opposition im Bundestag hat es schon einfachere Zeiten gegeben. Wegen der Corona-Krise ist der Scheinwerfer seit Wochen ausschließlich auf die Regierenden gerichtet, während Grüne, FDP und Co. mit ihren Wortmeldungen nur schwerlich durchdringen.
Am Mittwoch tat sich für die vier Oppositionsparteien jedoch die Chance auf, mal wieder zu punkten: Die Regierungsbefragung im Bundestag stand an, und neben Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stellte sich auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Fragen der Parlamentarier, einer der obersten Krisenmanager also.
Haben die Oppositionspolitiker diese Gelegenheit genutzt? Den Gesundheitsminister ins Kreuzverhör genommen? Nun, versucht haben sie es gewiss. So konfrontierte eine FDP-Abgeordnete den CDU-Minister mit der brenzligen Lage in vielen Alten- und Pflegeheimen, wo das Virus viele Infektionen und Tote zur Folge hat.
Was tue der Minister, um Heime besser zu schützen, will die Liberale wissen. „Wir bemühen uns“, antwortet Spahn, sowohl um Schutzausrüstung als auch Testkapazitäten auszuweiten. Auch eine „zwischenzeitliche Kurzzeitpflege“ für Menschen, die aus der Quarantäne kommen, bringt er ins Spiel.
Gesundheitsminister Spahn übt sich in Selbstkritik
An mehreren Stellen der Befragung läuft das so ab: Politiker aus dem Plenum stellen Fragen, und die Minister geben differenzierte Antworten, die wenig Angriffsfläche bieten. So, wie das auch die Kanzlerin in Perfektion beherrscht.
Zudem gesteht der Gesundheitsminister selbst Fehler ein. „Wir werden viel verzeihen müssen in den nächsten Wochen“, sagt er. Eine Pandemie wie jetzt habe es noch nie gegeben, weshalb zwangsläufig eine „Phase“ kommen werde, „wo man nachsteuern muss“.
Diese selbstkritische Antwort gibt der Minister, als die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch fragt, ob die Bundesregierung Firmen aus Steueroasen nicht die wirtschaftliche Unterstützung versagen möchte.
Hinzu kommt, dass vieles zur Pandemie offen ist, was Angriffe der Opposition schwierig macht. Etwa wenn es um die Frage geht, wie groß die Gefährdung für Kinder tatsächlich ist. Ein Vertreter der AfD-Fraktion verweist auf eine Studie aus Island, wonach Kinder wenig gefährdet seien.
Breitere Fußwege? Scheuer sieht sich nicht zuständig
Er fragt, warum die Schule bis zur dritten Klasse nicht wieder geöffnet werden können. Hier verweist der Gesundheitsminister darauf, dass vieles unklar sei. „Wie infektiös Kinder auch ohne Symptome sind, ist nicht untersucht“, sagt er. So könne das Virus womöglich dennoch zu den Großeltern gelangen.
Auch zur Reproduktionszahl bekommt Spahn Fragen gestellt. Ein Linken-Abgeordneter fragt etwa, weshalb diese Zahl, die über die Weiterverbreitung pro Infizierten Auskunft gibt, nun, da sie gesunken sei, nicht mehr das Maß aller Entscheidungen sei. Spahn verweist hier auf die Komplexität des Ganzen, was der Verengung auf eine Zahl allein nicht gerecht werde.
Neben Spahn wird auch Verkehrsminister Scheuer zu Corona befragt. Etwa, ob wegen der anderthalb Meter Abstandregel breitere Fußwege nötig seien oder wie mit die Einnahmeausfälle von kommunalen Unternehmen etwa beim ÖPNV ausgeglichen werden. In beiden Fällen beruft sich der CSU-Minister auf die begrenzte Zuständigkeit des Bundes bei diesen Fragen. „Vom Bund wird nicht der Bürgersteig in Berlin-Mitte gemessen“, sagt er. In beiden Fällen seien Kommunen oder Länder zuständig.
Nach knapp anderthalb Stunden ist die Befragung vorbei. Das Ministergrillen ist an diesem Mittwoch ausgefallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste