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Fragen Sie Frau Carola Von Carola Rönneburg

Als Kummerkastentante überlege ich oft lange, bevor ich meinen Ratschlag erteile. Das ist gut so, denn ohne sorgfältiges Abwägen der Kummerlage erhielte ich wohl kaum so schöne Dankschreiben aus aller Welt. Herr W. aus F. zum Beispiel berichtete mir Schikanöses von seinem schwatzhaften Büroraumkollegen: „...und letzte Woche hat er ein Privatgespräch mitgehört. Inzwischen weiß der ganze Laden, daß meine Frau und ich demnächst Eltern werden wollen. Ständig finde ich Schnuller und Alete-Gläser auf meinem Schreibtisch.“ Der Mann wird gemoppt, klare Sache. Aber wie soll er reagieren? Zum Betriebsrat gehen? Auf den Tag der Beförderung warten? Alle verhauen?

Noch viel mehr Möglichkeiten tun sich da auf, aber wenige versprechen Erfolg und Ruhe für den Vater in spe, der sich doch nun wirklich auf andere Aufgaben konzentrieren sollte. „Lieber Herr W.“, lautete schließlich mein Rat, „nehmen Sie das Verhalten Ihrer Kollegen als das, was es ist: sehr schlechtes Betragen. Nehmen Sie jedoch die Aufmerksamkeiten dankbar an. Richten Sie – im Regal Ihres Kollegen – eine Aussteuerecke ein, die Sie regelmäßig um weiteres Zubehör wie Papierwindelpakete und Bauklötze (lose) ergänzen. Und bedenken Sie, wie nützlich Ihnen das Babyphon beim Mithören der Gespräche in Ihrer Abteilung werden kann!“

Eine vor kurzem eingetroffene gravierte Geburtszange bestätigt, daß mein Vorschlag vernünftig war. Trotzdem ziehe ich einfache Fragen („Soll ich ihn also verlassen?“ – „Na klar!“) vor. Eine solche erreichte mich heute. Die Ratsuchende, Frau R. aus B., bekümmerte dies: „...und nun leben meine beste Freudin und ich schon so lange so weit voneinander entfernt. Ich kann nicht umziehen. Es ist schrecklich. Was soll ich tun?“

Liebe Frau R. – Ihr Fall ist klassisch. Mitte zwanzig, wenn die jungen Damen in die Welt hinausgehen, glauben sie gern, nach wenigen Jahren würde man sich bestimmt in einer anderen Stadt wiedersehen und, wie schon zuvor, gemeinsam Kickern gehen und Geheimnisse behalten und sich Bauchschmerzen ankichern; kuscheln, trösten, betrunken über Hafentreppen rollen und morgens Rinderbouillon schlürfen. Doch auf einmal sind sie einem Partner ausgesetzt, der hausstauballergisch den Umzug aufs Land wünscht, oder einem Kind, das erschreckend schnell Wurzeln schlägt, oder einem Berufsleben, dem hierzulande nur an zwei öden Orten nachgegangen werden kann – dort, wo die Hausstauballergie besonders schwer wütet.

Briefe und Telefonate helfen nur begrenzt über die freundinfreie Zeit hinweg. Und der Abschied am Ende der Besuche wird im Laufe der Zeit immer trauriger. Mein Rat: Schicken Sie Ihrer Freundin schöne Bildbände und Reiseführer Ihrer Stadt. Machen Sie abfällige Bemerkungen über die kleinstädtische Sperrstunde. Fordern Sie Material beim Umweltbundesamt an. Fälschen Sie die Allergiestatistiken, und treten Sie zur Sicherheit heimlich einer Öko-Gruppe bei. Versorgen Sie das Kind mit den Spielplänen der örtlichen Kinos und selbstgeknipsten Fotos von verschiedenen McDonald's-Filialen, auf die Sie kleine Pommes-Stäbchen kleben.

Lassen Sie nichts unversucht. Für die Beste ist das Beste gerade gut genug.

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