piwik no script img

Frag nach bei „Spatzi“

■ Kurzer Draht zwischen Makler und Arbeitsamt: Keine Wohnung für Knacki Knacki bei der Wohnungssuche kurzer Draht zwischen Makler und Arbeitsamt / Arbeitsamtsdirektor erschüttert

Hand aufs Herz: Würden Sie einem Strafgefangenen eine Wohnung vermieten? Knackis haben's schwer, eine Bleibe zu finden, wenn sich die Gefängnistore erstmal geöffnet haben. Genauso erging es Ralf B. Drei Jahre hat er im Knast gesessen, mittlerweile ist er frei, aber mehr als eine Notunterkunft war bislang nicht drin. Dabei hatte sich Ralf B. noch in den letzten Wochen vor seiner Entlassung intensiv um eine eigene Bleibe gekümmert, und fast hätte es auch geklappt – wenn er da nicht über einen merkwürdig kurzen Draht zwischen einem Makler und einer Mitarbeiterin des Bremer Arbeitsamtes gestolpert wäre. Datenschutz? Fehlanzeige!

Mitte April tauchte Ralf B. beim Bremer Makler Wendt und Partner auf. In der Zeitung hatte er von einer Wohnung Außer der Schleifmühle gelesen, die wollte er gerne haben. Noch saß er zwar im Knast, aber in ein paar Tagen sollte er rauskommen, und die Bremer Straffälligenbetreuung hatte ihm schon mal ausgerechnet, wieviel Arbeitslosengeld er erwarten würde – rund 1.400 Mark, das Amt für Soziale Dienste hatte die Kostenübernahme zugesichert, bis das Arbeitsamt seine Zahlungen starte. Maklerkaution und Deponat würde er von seinem Entlassungsgeld berappen können. Alles klar, dachte Ralf B. Doch da hatte er die Rechnung ohne den Makler gemacht.

Der guckte nämlich auf die „Selbstauskunft“, die der potentielle Mieter auszufüllen hatte. Und wie aus der Pistole geschossen kam die Frage, ob Ralf B. die Höhe des Arbeitslosengeldes irgendwie bescheinigen könne. „Das konnte ich noch nicht“, erzählt B. „Ich hatte meine Papiere noch nicht beisammen.“ Aber er habe dem Makler angeboten, das so schnell wie möglich zu tun. Doch der wollte sich darauf nicht einlassen. Ralf B.: „Das machen wir anders, hat er gesagt, er hat da so ne Bekannte.“ Der Makler griff zum Telefonhörer. „Hallo Spatzi!“ habe der Makler geflötet. „Ich hab hier so einen. Kannst Du mal in den Computer gucken, wieviel Arbeitslosengeld der zu erwarten hat?“ Und Spatzi half prompt. Sie gab ihrem Freund im Maklerbüro alles durch, was der wissen wollte: Von Bs Stammnummer bis hin zu der Auskunft, daß der 1991 zum letzten Mal beim Arbeitsamt gewesen sei und daß er erstmal nichts zu erwarten habe und daß eine Haftanordnung aus dem Jahr 1993 vorliege.

Ralf B. geriet mächtig ins Schleudern: „Ich war total aufgeregt, und ich kann mich auch nicht so gut ausdrücken.“ Er wollte so unbedingt die Wohnung kriegen, da hatte er dem Makler verschwiegen, daß er noch im Knast saß. „Wohne unter beengten Verhältnissen bei meiner Mutter“, hatte er auf dem Fragebogen angegeben. Nun, im Maklerbüro, kam alles raus, die Wohnung war futsch.

„Er ist ja auch nicht verpflichtet, das anzugeben“, erklärt Clemens Bergmann von der Straffälligenbetreuung, der sich um Ralf B. kümmert. Und er ärgert sich mächtig über den kurzen Draht zum Arbeitsamt: „Ein klarer Fall von Datenmißbrauch. Es kann ja wohl nicht wahr sein, daß man einfach anrufen muß, und schon kriegt man die persönlichsten Daten.“ Frag nach bei Spatzi – danach half auch die Intervention Bergmanns nicht mehr, der zwei Tage später beim Makler anrief und für seinen Klienten kämpfte. Bergmann: „Der hat sich gewunden und gedreht.“ Am Ende habe er dann gesagt, daß B. als ehemaliger Strafgefangener beim Hausbesitzer keine Chance habe.

Herr Wessel von Wendt und Partner erinnert sich noch genau an den Fall. „Der saß mir gegenüber.“ B. hätte sowieso eine fristlose Kündigung riskiert, weil er die Sache mit dem Knast verschwiegen habe, sagt Wessel. Und nach wie vor findet er nichts Besonderes an der Aktion. „Der hat gesagt, das sei in Ordnung, daß ich da anrufe. Und irgendwie müssen wir uns ja auch vergewissern, daß die Angaben stimmen.“ Da sei es einfacher gewesen, mal eben anzurufen, als B. nochmal wiederkommen zu lassen.

Einfacher vielleicht, aber jenseits der Legalität. Spatzi wird ziemliche Schwierigkeiten kriegen. Denn Christian Hawel, Direktor des Bremer Arbeitsamtes, ist einigermaßen entsetzt. „Wer das macht, der spielt mit seinem Arbeitsplatz. Das ist wie mit dem Banken- und Steuergeheimnis. Daß da jemand Auskunft gibt, das ist absolut fatal.“ Dabei würden seine MitarbeiterInnen regelmäßig auf Datenschutz getrimmt. Nun will sich der Direktor selbst des Falles annehmen, Ralf B. und sein Betreuer Bergmann sollten sich direkt an ihn wenden.

Ralf B. nützt das nur noch wenig. Als er aus dem Knast kam, blieb nicht mehr als eine Notunterkunft – wie für so viele Haftentlassene. Der Wohnungsmarkt habe sich zwar entspannt, erzählt Bergmann, aber viele ehemalige Gefängnisinsassen, die gut eine eigene Wohnung führen könnten, landeten in Notunterkünften oder betreuten Einrichtungen, „und die kosten zwischen 20 und 25 Mark am Tag“. Es zahlt: das Sozialamt.

Jochen Grabler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen