Forderung nach höheren Spritpreisen: Minister gegen Köhler
Bundespräsident Horst Köhler hat sich für eine Erhöhung der Benzinpreise ausgesprochen. Der Wirtschafts- sowie der Verkehrsminister weisen die Idee zurück.
BERLIN dpa/apn | Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat die Forderung von Bundespräsident Horst Köhler nach einer Erhöhung der Benzinpreise zurückgewiesen. "Auch hier gilt der Grundsatz: Man kritisiert den Bundespräsidenten nicht", sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende am Montag in Berlin. Die Benzinpreise seien aber bereits sehr hoch, und gerade für Arbeitnehmer im ländlichen Raum müsse Mobilität bezahlbar bleiben. Neben Brüderle kritisierten auch Bundesverkerkehrsminister Peter Ramsauer, der ADAC und der Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel Köhlers Vorstoß.
"In den Ohren vieler Millionen Pendler, die Tag für Tag weite Fahrstrecken in Kauf nehmen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, klingen solche Äußerungen wie Hohn", sagte ADAC-Präsident Peter Meyer am Sonntag in München. Schon heute liege der Steueranteil auf Kraftstoff bei über 70 Prozent. "Von jeder Tankfüllung gehen rund 50 Euro an den Staat", sagte Meyer. Es sei ungerecht, alle Anstrengungen zum Klima- und Umweltschutz einseitig dem Autofahrer aufzubürden Bundesverkehrsminister. Nach dem ADAC kritisierte auch der Auto Club Europa (ACE) Köhlers Vorstoß. ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner warnte in der Zeitung: "Die Bemerkung könnte missverstanden werden und den Ölmultis als willkommene Rechtfertigung dienen, weiter Preiswucher zu betreiben."
Verkehrsminister Peter Ramsauer sprach sich ebenfalls gegen höhere Spritpreise aus. Zum Vorschlag Köhlers sagte der CSU-Politiker der "Bild"- Zeitung: "Die Öko- bzw. Spritsteuer im Benzinpreis hat bis heute keinerlei Lenkungswirkung entfaltet. Gefahren wird wie eh und je."
Der Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel von der Universität Bremen nannte die Äußerungen des Bundespräsidenten "Gift für die Konjunktur". Hickel zu "Bild": "Öl wird ohnehin immer teurer - deshalb ist der Vorschlag Gift für die Konjunktur, schwächt die Autobranche und ist ein Schlag ins Gesicht für Millionen Pendler. Ökologische Vernunft kann nicht über den Benzinpreis herbeigesteuert werden."
Bundespräsident Horst Köhler hatte im Focus von den Deutschen mehr Umweltbewusstsein gefordert und brachte dafür höhere Benzinpreise ins Spiel. "Wir müssen jetzt den Paradigmenwechsel hin zu einer Wirtschaftsweise einleiten, die unser Planet verkraftet und die letztlich auch mehr Sinn stiftet", sagte Köhler dem Focus.
"Die Nation, die sich am schnellsten, am intelligentesten auf diese Situation einstellt, wird Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen." Köhler präzisierte: "Wir sollten zum Beispiel darüber nachdenken, ob der Preis von Benzin nicht tendenziell höher als tendenziell niedriger sein sollte." Der Preis sei immer noch das stärkste Signal, damit Menschen ihr Verhalten ändern, betonte Köhler. Die Deutschen bauten zwar die besten Autos. Aber ihm bereite Sorgen, dass die Volkswirtschaft so massiv vom Auto abhänge. "Sechzig Prozent der gesamten Innovationen ranken ums Auto, sagte mir jemand aus der Branche stolz. Mich macht das eher nervös." Dies sei ein Fall wie bei der Finanzkrise.
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