: Folgenschwerer Sturz
■ Streit mit Todesfolge: 28jähriger Obdachloser wegen Körperverletzung verurteilt Von Stefanie Winter
Wegen Totschlags war Frank S. angeklagt, verurteilt wurde er gestern wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Im Streit um einen Schlafplatz war es im Sommer vergangenen Jahres zwischen ihm und einem anderen Obdachlosen zu Handgreiflichkeiten gekommen. Der andere war dabei von einem Brückensockel mehr als drei Meter tief gestürzt. Sechs Wochen später starb er an seinen Verletzungen (taz berichtete).
Dieser Sachverhalt, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, sei kaum umstritten. Im Wesentlichen gehe es um die rechtliche Bewertung der Geschehnisse – die Frage, ob der Angeklagte sein Opfer vorsätzlich getötet habe. Und daran hegte der Anklagevertreter erhebliche Zweifel.
Der 28jährige Frank S. sei seit fast 15 Jahren „gewohnheitsmäßiger Trinker“ und auch am Abend der Tat „erheblich alkoholisiert“ gewesen. Er sei zum ersten Mal an der Brücke nahe des Fischmarktes gewesen. Es war dunkel. Und die Mauer, auf der sich der Schlafplatz und auch der Ort des Kampfes befanden, sei an verschiedenen Stellen unterschiedlich hoch. Daß ein Sturz von der Mauer tödliche Folgen haben könnte, sei von dem Angeklagten zwar nicht beabsichtigt, aber doch für ihn vorhersehbar gewesen – und diese Vorhersehbarkeit begründe eine Verurteilung nicht „nur“ wegen Körperverletzung; auch die Todesfolge sei Frank S. – straferhöhend – zuzurechnen.
Merklich überrascht war nun der Rechtsanwalt des Angeklagten von dieser Änderung der Anklage. Er schien sich ausgiebig vorbereitet zu haben auf ein Plädoyer, das eben dies erst erreichen wollte: keine Verurteilung wegen Totschlags. Wortreich und nicht eben einleuchtender wiederholte er die Argumente des Anklagevertreters und provozierte auf Seiten der Kammermitglieder kleine, ungezogene Anzeichen der Langeweile und Gereiztheit: Blicke wurden zur Decke erhoben, Augen gerieben, Münder schmollend verzogen. Und weil ein Rechtsanwalt nicht ganz und gar mit dem Vertreter der Anklage gleichziehen sollte, verneinte der Verteidiger von Frank S. noch die Zurechenbarkeit der Todesfolge und plädierte auf eine Verurteilung „nur“ wegen Körperverletzung. Falls die Kammer das jedoch anders sehen sollte, räumte er im selben Atemzug ein, dann empfehle er die Beurteilung der Tat als „minder schweren Fall“.
Die Kammer sah es anders, folgte dieser Empfehlung und verurteilte Frank S. zu dreieinhalb Jahren Haft. Und während Anklage und Verteidigung sich einmütig gegen die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausgesprochen hatten, ordnete das Gericht diese „Maßregel“ an. Einen Therapieplatz hatte sich Frank S. selbst gewünscht. Den Einwand des Verteidigers, daß es dafür eine taugliche staatliche Einrichtung in Hamburg bekanntermaßen nicht gebe, wies der vorsitzende Richter zurück. „Das ist dann nicht mehr unser Problem.“
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