Folgen des Berliner Bankenskandals: Berlin bleibt auf Bad Bank sitzen
Senat verzichtet auf Verkauf der BIH, weil Kapitalgeber ungenannt bleiben wollte. Finanzsenator soll weiter Käufer suchen. Opposition: Argument vorgeschoben.
Die Berliner Immobilien Holding (BIH), die die verbliebenen Risiken aus dem Bankenskandal von 2001 sammelt, bleibt vorerst beim Land. Der rot-rote Senat beschloss am Dienstag, einem unterschriftsreifen Verkaufsvertrag nicht zuzustimmen. Grund dafür soll nicht Widerstand der SPD-Linken gewesen sein, sondern mangelnde Transparenz: Die eigentlichen Kapitalgeber, offenbar in Abu Dhabi, wollten ungenannt bleiben. Während der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum das Scheitern bedauerten, jubelten die SPD-Linken um den Spandauer Kreischef Raed Saleh. Wowereit betonte aber, der Verkauf sei nicht vom Tisch: Nußbaum dürfe weiter einen Käufer suchen.
Die Nachricht vom Scheitern des schon zu Zeiten von Nußbaums Vorgänger Thilo Sarrazin verhandelten Geschäfts kam überraschend. Lächelnd war der parteilose Finanzsenator nach der Senatssitzung in die Pressekonferenz gekommen. Ausführlich referierte er fast eine Viertelstunde lang die Vorteile des Vertrags - um plötzlich auf die fehlende Transparenz zu sprechen zu kommen. Und zu sagen: Deswegen habe er dem Senat empfohlen, dem Geschäft nicht zuzustimmen.
70 Millionen Euro hätte Berlin laut Nußbaumfür die BIH bekommen. Auch die zentrale Forderung, dass Berlin sämtliche Risiken aus dem Bankenskandal los wird, soll erfüllt gewesen sein. Die Käufer - ein britischer Investor mit Geld aus Abu Dhabi - hätten sich zudem verpflichtet, eine halbe Milliarde Euro in die Immobilien zu stecken. Für die rund 20.000 Berliner Wohnungen der BIH - knapp die Hälfte des ansonsten bundesweit gestreuten Bestands - hätte das Land eine Art Erstkaufsrecht gehabt. Damit wäre die Kritik der SPD-Linken ausgehebelt, ein Verkauf bedrohe Berliner Mieter.
Die 2006 gegründete Berliner Immobilienholding (BIH) bündelt wie in einer Bad Bank die Milliardenrisiken der dubiosen Immobilienfonds der Bankgesellschaft. Sie verwaltet insgesamt 29 verlustreiche Immobilienfonds. Die Fonds wurden in den Jahren 1995 bis 2001 aufgelegt.
2002 hatte das Land Berlin Garantien für das Immobiliengeschäft der Bankgesellschaft über bis zu 21,6 Milliarden Euro übernommen. Die Garantien bergen erhebliche Risiken: Sobald der Erlös von 4,62 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Bankgesellschaft im Jahr 2007 aufgebraucht ist, müssen die Zahlungen aus dem Landeshaushalt bestritten werden. Ab 2012 soll es laut Finanzsenator Nußbaum so weit sein. Pro Jahr fallen rund 140 Millionen Euro Verluste an.
In den Fonds enthalten sind auch 39.000 Wohnungen, davon mehr als die Hälfte in Berlin. Sie waren der Grund, warum vor allem SPD-Linke einen Verkauf der BIH abgelehnt hatten. Die Wohnungen liegen vor allem in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Spandau. (taz)
Allein eine Sache hatte Nußbaum nach eigener Darstellung auch bei Nachverhandlungen nicht durchsetzen können: Ein Staatsfonds aus Abu Dhabi, der den Deal hätte absichern sollen, wollte öffentlich nicht genannt werden. Damit war für Wowereit das Geschäft geplatzt: "Wir sind absolute Transparenz schuldig, und dafür stehen wir auch." Er glaube gar nicht, dass der Investor etwas zu verheimlichen habe - derartige Transparenz sei international schlicht nicht üblich.
"Es ist nicht überall üblich, Verträge ins Internet zu stellen", sagte Nußbaum und bezog sich damit auf Unterlagen zum Teilverkauf der Wasserbetriebe, die seit November einsehbar sind. Nichtsdestotrotz sei das Geschäft ohne Transparenz nicht machbar gewesen, gerade angesichts der derzeit viel diskutierten Transparenz über Verträge und Gehälter und wegen des Wasservolksentscheids am Sonntag.
Nußbaum machte aber auch deutlich, dass diese Prinzipientreue ihren Preis hat. Das Land müsse weiterhin jährlich 140 Millionen Euro Verlust der Immobilien ausgleichen. Als Alternative zum Verkauf soll aus der BIH ein aktiver Immobilienvermarkter werden, was auch Investitionen notwendig macht. Das passt dem Finanzsenator gar nicht: "Wir haben kein Interesse daran, Immobilienplayer in der ganzen Republik zu sein." Mit ähnlichen Argumenten hatte sich jüngst in der taz Wirtschaftsenator Harald Wolf (Linkspartei) für einen Verkauf ausgesprochen.
Für die CDU kommt es ein wenig zu plötzlich, dass nun mangelnde Transparenz am Misslingen des Geschäfts schuld sein soll. "Die Argumentation für den Rückzieher klingt vorgeschoben", sagte ihr Haushaltsexperte Uwe Goetze. Wahrscheinlicher ist für ihn, dass der Senat vor der SPD-Linken einknickte. Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop forderte, weiter einen Käufer zu suchen, aber offener als bisher: "Der Senat muss dann die Verträge dem Abgeordnetenhaus vorlegen."
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