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Flußufer baumlos

■ 30 Pappeln und eine Weide mußten weichen - das Schiffahrtsamt wollte es so

Wer am Wochenende über's Weserwehr spazierte, staunte nicht schlecht: Die rund 30 Pappeln auf der Habenhausener Seite – sämtlichst abgesägt. Täter: Das Wasser- und Schiffahrtsamt, eine Bundesbehörde. Grund: Die Schleuse muß erweitert werden. Zum einen für das geplante 120 Meter lange Großmotorschiff, zum anderen wegen des durch zahllose Weserausbaggerungen immens gestiegenen Tidehubs. Um die Jahrhundertwende lag der Tidehub noch bei einem halben Meter, heute bei über vier Metern. Diesem hohen Wasserdruck halten die bisherigen Schleusenwände nicht mehr stand.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) bedauert zwar den Verlust jedes einzelnen Sauerstoffspenders, wird für diese Pappeln jedoch nicht auf die Barrikaden gehen, sagt jedenfalls Michael Abendroth. Zum einen seien die Pappeln hier nicht besonders standortgerecht, zum anderen soll es Ausgleichsmaßnahmen geben. Geplant sind zum Beispiel Ruheräume für die Fauna in Weserarmen.

Eine dicke Träne weint der BUND allerdings der ausladenden Weide am Anleger Cafe Sand hinterher, der sogenannten „Kinderweide“, an der sommers ganze Trauben von Kindern hingen. Die wurde nicht wegen des Café-Neubaus gefällt, sondern weil angeblich und auf einmal ein Ankerverbotsschild nicht gut zu sehen war. Ankern ist dort verboten – eine Stromleitung ist quer durch den Fluß gelegt. „Aber man hätte doch genausogut das Schild versetzen können, zum Beispiel ein Stück in den Fluß hinein“, kritisiert Michael Abendroth vom BUND.

„Das war so ein wahnsinnig schönes Tor zum Café Sand“, sagt auch Dieter Stratmann vom Verein Hal Över. „Ich war entsetzt, als ich das morgens ah und habe in meiner Säuernis auch gleich einen Brief ans Umweltressort geschrieben.“ Doch das Ressort hatte dem „Zurückschneiden“, wie sich das Abrasieren bis auf einen Stumpf gärtnerisch nannte, zugestimmt.

Über Nachpflanzungsaktionen mag sich Dieter Stratmann nicht äußern. Im Deichvorland darf nämlich eigentlichs nichts in Eigenregie gepflanzt werden. Bäume sind in den Augen des Wasser- und Schiffahrtsamtes „Hindernisse für den natürlichen Ablauf“. Sowas kann Stratmann nun aber gar nicht verstehen: „Weiden hat es doch immer am Fluß gegeben.“ Die vier kleinen Bäumchen, die der Verein im vergangenen Jahr auf der Wiese gepflanzt hat, werden jedenfalls noch lange nicht den Verlust der Weide ausgleichen.

Tot ist der Weidenstumpf zwar wahrscheinlich nicht, zum Kletterbaum wird sie es aber wohl nie mehr bringen, höchstens noch zum Busch. „Das wird ein Bubikopf“, seufzt Abendroth.

cis

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