: Flugzeuge für den Kopf und den Bauch
Die 3. Lange Nacht der Wissenschaften bringt Wissen zum Staunen und Anfassen, aber auch Proteste gegen Sarrazin
Es klingt wie der Stoff für einen Spionagethriller: Flugobjekte, so klein und leicht wie Mücken, schwirren fast heimlich durch die Luft. Sie werden von Menschenhand kontrolliert und sind mit Kameras und Sensoren ausgestattet. Ganz so winzig sind die Miniflugzeuge der Bioniker der Technischen Universität (TU) zwar nicht, aber sie sind trotzdem eine kleine Sensation. Das größte Flugzeug wiegt nicht einmal halb so viel wie eine Tafel Schokolade, das kleinste Modell wiegt schlappe 0,07 Gramm – allerdings ohne eigenen Antrieb.
Ingo Rechenberg, Professor am Fachbereich Bionik – Bionik nennt man die Wissenschaft, die technische Probleme nach den Vorbildern der Natur zu lösen sucht – hat die Flugzeuge aus Balsaholz, die Tragflächen aus hauchdünnem, zweitausendstel Millimeter starkem Kondensatorpapier entwickelt. Bei der Langen Nacht der Wissenschaften am Samstag werden sie eines der spektakulären Objekte „zum Anfassen und Staunen sein“, wie TU-Präsident Kurt Kutzler für das 3. Wissen-Event sich erhofft.
An dem Miniflugobjekt MAV, Micro Aero Vehicle, „forschen die Amerikaner schon seit ein paar Jahren“, sagt Rechenberg fast bedauernd und spielt dabei auf die drohenden Kürzungen im Bereich Forschung und Wissenschaft im Land Berlin an. Denn die Miniflieger, so der Forscher, könnten in den Bereichen Verkehrs- und Vermessungswesen eingesetzt werden, wenn man die Flugzeuge mit Kameras und Sensoren ausstattet. Auch zur frühzeitigen Aufspürung von Waldbränden wären die kleinen Flieger geeignet. Die Lange Nacht der Wissenschaften ist für Forscher wie Rechenberg daher eine willkommene Gelegenheit, den Interessenten neue Ergebnisse zu präsentieren.
Sechs Standorte bieten diese Gelegenheit, den Wissenschaftlern über die Schulter zu schauen, Projekte zu bestaunen und selber auszuprobieren. Das Geoforschungszentrum auf dem Telegrafenberg in Potsdam bietet eine virtuelle Fahrt ins Erdinnere. Im Campus Berlin-Buch können die Besucher ihre eigene DNS isolieren und die Analyse mit nach Hause nehmen. Studienberatungen bieten darüber hinaus die TU und die Technische Fachhochschule.
Nach wachsenden Besucherzahlen – in den letzten beiden Jahren kamen jeweils rund 14.000 Interessierte – hatte man sich entschlossen, die Lange Nacht ein weiteres Mal zu veranstalten. Das Unterfangen ist nicht ganz billig, die einzelnen Standorte steuern jeweils rund 15.000 Euro bei, der Rest wird durch den Eintritt, die Technologiestiftung, Partner für Berlin sowie Sponsoren wie Siemens, Aventis und TIB aufgebracht. Die Gesamtkosten für die zentrale Organisation belaufen sich auf über 300.000 Euro, dazu gehört auch die Einrichtung von Bus-Shuttles, die die Besucher zusätzlich zu den öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen können.
Laut TU-Präsident Kurt Kutzler soll die Lange Nacht zeigen, dass Wissenschaft nicht nur Spaß macht, sondern produktive Werte für die Gesellschaft und den Wissenschaftsstandort Berlin schafft. Aber es soll auch gegen die anstehenden Kürzungen der Finanzverwaltung gehen: Um 21 Uhr wird an jedem Standort die Bedeutung der Einrichtung erläutert und was die drastischen Sarrazin-Pläne bewirken würden. An der TU, wo zu später Stunde mit züngelnden Flammen („Herr Sarrazin, es brennt“) protestiert wird, ist auch Rechenberg vertreten. Seine Miniflugzeuge werden durch das Audimax düsen. „Mein Traum ist es, einmal einen ganzen Schwarm meiner Miniflugzeuge fliegen zu sehen.“ Vielleicht hilft ihm die Lange Nacht ein Stück dahin.
BORIS NOWACK
Samstag, 14. Juni, von 17 bis 1 Uhr in mehr als 70 Einrichtungen, u. a. HUB, TU, FU, Charité, in Buch, Adlershof und Potsdam. Eintritt 11 und 7 Euro. Infos www.langenachtderwissenschaften.de